Route 2000: Nordkapp (interaktive Landkarte)
06.August | Zürich-München | 300km |
In den letzten beiden Jahren hatte ich Touren geplant, welche in
5 Wochen eine Strecke von zirka 7000 Kilometern vorsahen. Dieses Jahr wollte ich
die 9000 Kilometer zum Nordkapp und zurück in 4 Wochen schaffen. Zum einen
hatte ich einige Reiseerfahrung gesammelt und zum anderen stand mir jetzt nicht
mehr ein 125er mit 10 bzw. 15 PS, sondern ein 400er mit 33 PS zur Verfügung.
Ein unsicheres Gefühl hatte ich dennoch, war ich doch mit dem Burgman maximal
200 km pro Tag gefahren und das auch noch ohne Gepäck.
Doch wie sich herausstellte merkt man das Gepäck beim Fahren kaum (beim
Ausweichen und auf Campingplätzen umso mehr, doch davon später...). Ebenfalls
sind grosse Distanzen bis zu 700 km pro Tag dank dem komfortablen Sitz kein
Problem, vorausgesetzt die Strassen sind gut. In Polen war ich jeweils froh,
mein Tagesziel nach 300 km zu erreichen, doch auch davon später mehr.
So fuhr ich denn bereits am Sonntag ab, damit ich zu Wochenbeginn in München
weiterfahren konnte. Es regnete in Strömen, aber mein Regenkombi hielt mich
wunderbar trocken. Beim Grenzübertritt nach Oesterreich musste ich feststellen,
dass der Rhein sein Hauptbett verlassen hatte und auch in den Auen als
bedrohlich braune Masse daherkam. Von Deutschland Richtung Bregenz staute sich
der Verkehr auf viele Kilometer, zum Glück kam ich in Richtung München vorerst
zügig voran. Kurz vor Landsberg war aber auch Stau und ich fuhr rechts hinaus
zu einer Raststätte. Beim Tanken bemerkte ich eine Frau, welche Probleme hatte
beim Anbringen des Tankdeckels an ihrem Ford Escort. Da ich als Besitzer
desselben Autotyps die Tücken des Objekts kannte, half ich ihr kurz. Als
Gegenleistung informierte sie mich, was im Radio als Grund für den Stau
durchgegeben wurde: Die Autobahn Richtung München war wegen Ueberflutung
gesperrt! Als Ortsunkundiger riet sie mir, einen Umweg über Augsburg zu fahren,
was ich denn auch tat. Endlich um 21 Uhr in München angekommen erwartete mich
der nächste Schreck: Der mittlere Ring war wegen Hochwassers gesperrt! Ein
gelungener Ferienauftakt: Es war kalt, nass und dunkel und ich hatte die
Orientierung verloren.
Zum Glück sah ich plötzlich ein Wohnmobil, dem ich dann bis zum Campingplatz
folgte. Hoffentlich wird das Wetter besser, dachte ich mir, denn einen solchen
Regen auf der ganzen Reise würde ich nicht durchstehen.
07.August | München-Karlovy Vary | 320km |
Am Morgen schätzte ich die Infrastrukur des Campings an der Isar: Grosszügige Sanitärräume, einen Imbiss und einen Einkaufsladen. Auf meiner letztjährigen Reise hatte ich Plätze angetroffen, die nur über ein Plumpsklo verfügten. Richtung Norden hörte der Regen auf, es nieselte nur noch aus dem Nebel. Ich war erstaunt, wie schnell und entspannt ich mit dem Burgman vorwärts kam. Kurz nach der tschechischen Grenze bei Cheb (Eger) zeigte sich erstmals die Sonne, danach wechselten sich Schauer und Sonnenschein ab. Auf dem Weg nach Karlovy Vary (Karlsbad) fielen mir die vielen Mädchen am Strassenrand auf. So wie sie angezogen waren, warteten sie nicht auf den Bus. Sie taten mir leid, denn einige standen leichtgekleidet und frierend ohne Schirm im Regen. Der Zeltplatz in Karlsbad war in eine Openair-Disco umgewandelt worden, am späten Nachmittag tummelten sich nur einige Kampfhunde auf der Wiese. Nach langer Suche fand ich dann einen Campingplatz südlich vom Zentrum. Die ganze Innenstadt war als Kurgebiet autofreie Fussgängerzone. In der Abendsonne glänzten die barocken Bauten um die Wette. Auf der Terrasse des Egerhofs genoss ich eine Gulasch mit Knödel und ein grosses Bier. Eine positive Ueberraschung war das Bezahlen der Rechnung: Nur umgerechnet 7 Franken standen drauf.
08.August | Karlovy Vary-Vrchlabi | 320km |
Bei wenig Verkehr kam ich gut voran. Die Autobahnen in der
Tschechei sind für Motorräder gratis, doch für Autos kostenpflichtig, weshalb
sie von Einheimischen gemieden werden. Auf der Landstrasse überholte ich einen
kleinen Lastwagen, doch der Fahrer schien ein kleiner Schumacher zu sein. Trotz
einem Tempo von 100 km/h und waghalsigen Ueberholmanövern auf der kurvigen und
hügeligen Strecke konnte ich ihn nicht abschütteln. Nach zirka 20 Kilometer
hatte ich genug von der Raserei, denn erstens hatte ich Ferien und zweitens
wollte ich heil ans Nordkapp kommen, also machte ich eine Pause. Bei Jablonec
besuchte ich einen Hügel mit Aussichtsturm, doch ich konnte wegen dem Dunst die
Schneekoppe nicht erspähen. Beim Hinunterfahren auf der schmalen Strasse kam
mir ein deutsches Auto entgegen. Ganz Gentleman wollte ich rechts in eine Wiese
ausweichen, übersah dabei eine Regenrinne und kollerte den Hang hinunter. Vater
und Sohn stiegen erschrocken aus, doch weder mir noch dem Burgman hatte es etwas
gemacht. Zu dritt war der Roller dann schnell wieder heil auf der Strasse, wo er
auch hingehört, denn Roller sind nun halt keine Geländemaschinen.
Danach verwechselte ich Trutnov mit Turnov und kam nach einem Umweg von 50 km
frustriert wieder in Jablonec an. Beim nächsten schönen Camping wollte ich
übernachten. Ich fand ihn in Vrchlabi, schön gelegen unter Pappeln an einem
See.
Zum Nachtessen ging ich zu Fuss in die Altstadt, denn hier gilt theoretisch die
0.0 Promillegrenze. In einem Grillrestaurant verzehrte ich ein saftiges
Rumpsteak für umgerechnet nur 6 Franken und genoss zwei, drei gute tschechische
Biere dazu.
09.August | Vrchlabi-Wroclaw | 220km |
An diesem Tag stand ich frühmorgens auf, stand doch die
Schneekoppe und anschliessend die Fahrt nach Wroclaw (Breslau) über die
polnische Grenze auf dem Programm. Vom letzten Jahr her wusste ich, dass man
sich beim polnischen Zoll in Geduld üben kann.
Bei der Sessellift-Talstation war ein einstündiges Anstehen in der
Warteschlange angesagt und zudem könne man wegen Windböen nur bis zur
Mittelstation fahren. Oben angekommen regte sich kein Lüftchen. Angesichts des
Liftzustands war wohl eher ein durchgerosteter Mast der Grund für die
verkürzte Fahrt. Beim Wandern Richtung Schneekoppe entdeckte ich
Heidelbeersträucher, die rchtig blau voller Früchte waren. Den Gipfel zu
erklimmen war mir zu zeitraubend, so setzte ich zur Rückfahrt mit dem
Sessellift an. Unten angekommen hatte sich die Warteschlange bereits
verdoppelt.
Kurz vor dem Zoll stand eine Autokolonne. Die meisten Insassen hatten ihr
Fahrzeug verlassen und standen herum. Ich erkundigte mich bei einem Paar auf
einem Motorrad für den Grund des Wartens. An der Grenze hätten sie die
Markierungen frisch gemalt und das könne noch ein bis zwei Stunden dauern, bis
die Farbe trocken sei. Das war mir zu blöd und ich fuhr zurück, um dann bei
Nachod die Grenze ohne Probleme passieren zu können.
Der Campingplatz in Wroclaw bestand aus einer riesigen Wiese beim olympischen
Stadion, dessen Portierloge aus Sicherheitsgründen 24 Stunden pro Tag besetzt
war. Im Gelände befand sich auch eine Gartenkneipe, wo ich zwei Monteure
kennenlernte, Bernd und Roland aus Frankfurt. Sie mussten eine Maschine für die
Leiterplattenfertigung einrichten und waren nebenan im Hotel Olympia
einquartiert. Ich durfte in ihrem Taxi in die Innenstadt mitfahren, wo wir auf
dem Hauptplatz das Nachtessen genossen. Als Vorspeise probierte ich eine
polnische Spezialität, eine scharfe Randensuppe. Danach zeigten sie mir noch
das "Nightlife of Poland", bis wir dann ziemlich spät beim
Olympiastadion eintrafen.
10.August | Wroclaw-Bydgoszcz | 320km |
Etwas müde stand ich am Morgen auf und beneidete Bernd und
Roland keineswegs, welche heute arbeiten mussten. Kopfsteinpflaster und
Schlaglöcher liessen mich mein Hinterteil spüren. Am schlimmsten waren die
Bahnübergänge ohne Schranken, bei denen die Schienen bis zu 10 Zentimeter
über oder unter dem Strassenniveau verliefen. Wollte man keinen Achsbruch oder
Sturz riskieren, war hier Schritttempo angesagt. Wie in Polen üblich, wurde
auch an diesem Tag halsbrecherisch gefahren. Einmal kamen mir zwei Autos
nebeneinander entgegen und ein andermal drängte mich ein Lieferwagen fast von
der Strasse.
Um meine Wachsamkeit zu schärfen trank ich einen Kaffee, hatte aber beim ersten
Schluck den Mund voller Kaffeesatz. Ich hatte vergessen, dass die Polen den
Kaffee nicht filtern, sondern einfach heisses Wasser dazugiessen und warten, bis
sich der Satz am Tassenboden gesammelt hat.
Ein freundlicher Klempner fragte mich nach meinem Tagesziel. Als ich Bydgoszcz
nannte, holte er sofort eine genaue Karte aus dem Lieferwagen und zeigte mir
einen Campingplatz, der sehr idyllisch gelegen sei. Letztes Jahr hatte ich den
Eindruck, dass die Polen Touristen unfreundlich behandeln, dieses Jahr war der
Eindruck genau umgekehrt.
Nach einigem Suchen erreichte ich den wirklich schön gelegenen Campingplatz.
Der junge Platzwart sagte zur Begrüssung: Aha, Burgman! Darauf erklärte er in
gutem Englisch, dass er auch schon eine Probefahrt mit einem Burgman gemacht
habe, aber eine schnelle Strassenmaschine bevorzuge. Darauf holte er seine
Yamaha 1000 hervor, drehte einige lautstarke Runden, wie um zu beweisen, wer
hier der Platzhirsch sei.
11.August | Bydgoszcz-Danzig | 260km |
Auf dem Weg nach Gdansk bog ich nach Malbork ab, um die
Marienburg zu besichtigen. Kurz vor Malbork staute der Verkehr zu einer
kilometerlangen Kolonne. Normalerweise war dies kein Problem, doch mit dem
Gepäck und den Seitenkoffer war das Ueberholen ziemlich eng. Ich bestaunte die
trutzige Burg von allen Seiten. Dabei fiel mir ein ungepflegter, stämmiger Kerl
auf, der umherschlich. Da noch weitere Touristen um mich herum waren, störte
mich das nicht. Plötzlich kam er auf mich zu und wollte Feuer für seine
Zigarette. Ich blickte mich um, kein einziger Tourist war mehr zu sehen. Ich
rief "Non-Smoker" und entfernte mich eiligst, denn ich hatte Angst um
Fotokamera, Geld und Rucksack.
In Danzig fuhr ich mitten ins Zentrum und fragte einen Taxifahrer nach dem
Camping. In fliessenden Deutsch erklärte er mir präzis den Weg dorthin.
12.+13.August | Danzig | 30km |
Am Vormittag fuhr ich ins Zentrum von Danzig, um die Altstadt zu
besichtigen. Ich wählte einen bewachten Parkplatz für den Burgman, denn ich
wollte ihn beim Zurückkehren wieder antreffen. Vorbei an der Marienkirche,
welche ich wegen ihrer riesigen Innenhöhe von 30 Metern kaum aufs Bild brachte,
gings zum Langen Markt. Diese Fussgängerzone ist zwar völlig touristisch, doch
zusammen mit dem Rathaus ist es schönste Platz der Stadt.
Nach dem Besuch des Krantores, als ich in einer Gartenbeiz einen Schaschlik
genoss, begann es leicht zu regnen. So fuhr ich bald via Fährhafen, wo ein
Ticket nach Schweden reservierte wurde, zum Camping zurück. Auf Anfrage, was
man an diesem Samstagabend so machen könnte, empfahl der freundliche Platzwart
drei Möglichkeiten: mit der Strassenbahn ins Zentrum, das Volksfest nebenan
oder das Openair-Konzert Richtung Strand.
Ich entschied mich für letzteres und da der Strand nur einen Kilometer weit weg
war, ging ich zu Fuss. Ich war erstaunt, dass kein Eintritt verlangt wurde und
auch Speis und Trank waren günstig wie immer in Polen. Vor der Bühne lauschte
ich bei einem Bier den rockigen, fröhlichen und manchmal auch
melancholisch-traurigen Liedern, allesamt mit polnischen Texten. Nach dem
Konzertende um 23 Uhr stiess ich beim Herumschlendern in der Budenstadt auf eine
Horde Skinheads, welche einen Mann, wahrscheinlich einen Russen, verprügelten.
Ich verdrückte mich in ein Blockhaus, wo Disco angesagt war.
Am Sonntag wanderte ich am Meer entlang, welches erstaunlich sauber war. Lange
Zeit schaute ich den spannenden Beachvolleyball-Spielen zu, denn Zeit hatte ich
genug bis zur Abfahrt der Fähre um 18 Uhr.
Beim Warten vor der Fähre gesellte sich noch ein weiteres Motorrad hinzu. Beim
Ablesen des Nummernschildes staunte ich nicht schlecht: Oregan aus den USA. Die
beiden Amerikaner waren schon 3 Monate unterwegs, unter anderem auch in Russland
und wollten noch vor dem Rückflug über den Teich einen Abstecher nach
Skandinavien machen. Der ältere zeigte mir seine technische Ausrüstung, welche
aus GPS, Satellitentelefon und Notebook mit Drucker bestand. Ich hatte nicht
einmal ein Handy dabei!
Auf der Fähre bildete sich eine lange Warteschlange vor der Kabinenvergabe,
doch die Amerikaner und ich mussten nicht warten, weil wir schon am Vortag
reserviert hatten. Auf dem Schiff von Polferries wartete ein breites
Unterhaltungsangebot mit 3 Restaurants, Pub, Duty-Free Laden und Disco. Zum
Glück war schönes Wetter und die Ostsee dementsprechend ruhig, sodass ich
einigermassen gut schlief in der Vierbett-Koje.
14.August | Danzig-Falun | 360km |
Pünktlich um 13 Uhr lief die Fähre in Nynashämn, etwa 50
Kilometer südlich von Stockholm ein. Zusammen mit den Amerikanern fuhr ich bis
zur schwedischen Hauptstadt, wo sich dann unsere Wege trennten. Sie blieben
vorerst in Stockholm und ich fuhr bei strahlendem Sonnenschein nach Falun
weiter.
In Skandinavien endet die Hauptsaison mitte August und so war die Portierloge
beim Camping neben der Sprungschanze unbesetzt. Man solle sich beim Büro des
Sportzentrums melden, welches ich aber nicht fand. Da neben der Schranke noch
genug Platz zum Duchfahren war, übernachtete ich kostenlos.
15.August | Falun-Husum | 480km |
In der Nacht hatte es zu regnen begonnen, also war ideales Wetter um unter Tage zu gehen. Letztes Jahr hatte ich das Buch "Die Bergwerke zu Falun" von E.T.A. Hoffmann gelesen und wollte nun den Originalschauplatz dieser romantischen Tragödie besuchen. Elis Froböm, Bergarbeiter in Falun, hatte kurz von seiner Heirat Selbstmord im Bergwerk begangen. Seine im Vitriolwasser gut erhaltene Leiche wurde erst 50 Jahre danach entdeckt und sofort von einem alten Weiblein als ihren Bräutigam wiedererkannt. Bei Selbstmord war eine Beisetzung in geweihter Friedhofserde undenkbar, also vergrub man ihn im Berg. In den folgenden Jahrzehnten wurden seine sterblichen Ueberreste einigemale umgebettet, denn bei jedem neuen Schacht stiess man darauf. Sein Geist spukte solange herum, bis man ihm endlich auf dem Friedhof seine letzte Ruhe gönnte. Beim Erreichen der Kupfer- und Erzgrube erblickte ich durch Nebelschwaden und Nieselregen einen rötlich-braunen, 300 Meter tiefen Krater. Dieser rührte vom katastrophalen Bergsturz im Jahre 1687 her, als das gesamte Höhlensystem in sich zusammenstürzte und Hunderte von Arbeitern starben. Der schwedische Grubenführer begrüsste die Gruppe, welche hauptsächlich aus Schweizern bestand, mit ein paar Brocken Schweizerdeutsch. Nach dem Anziehen von Helm und Regenschutz gings mit dem Lift in die grausige Tiefe. Unten konnte man die verwendeten Werkzeuge anschauen und die unmenschlichen Arbeitsbedingungen von damals erahnen. Glücklich, wieder an der Erdoberfläche zu sein, fuhr ich bei immer besser werdendem Wetter nordwärts bis Oernskoldsvik. Aber beim Campingplatz stank es so penetrant vom nahegelegenen Aluminiumwerk, dass ich es trotz erneutem Regen vorzog, weiterzufahren. Bei Husum fand ich einen schönen Platz an einem See. Die alte Platzwartin schaute mich mitleidig an, als ich ihr erklärte, ich hätte ein Zelt dabei und wollte keine Hütte mieten. Es brauchte dann schon etwas Ueberwindung, bei Dunkelheit, Nässe und Nebel das Zelt einzurichten. Dafür genoss ich das Abendessen, bestehend aus einer heissen Suppe mit eingelagerten Würsten, umsomehr. Eine Suppe als Mahlzeit erwies sich auf der Reise als ideal, denn sie wärmt und nährt, ist platzsparend zu transportieren (im Gegensatz zu Büchsen) und ist schnell und einfach zubereitet. Das Wasser in Skandinavien hat Trinkwasserqualität, man braucht also nicht wie etwa in Polen oder im Baltikum Trinkwasserflaschen mitzuschleppen. Beim Essen bemerkte ich die vielen Mücken, welche sich weder durch den Antibrumm-Spray noch von der glimmenden Mückenspirale vertreiben liessen. Bevor ich in die warme Schlaftüte kriechen und den Regentropfen auf dem Zeltdach zuhören konnte, musste ich noch alle diese Plagegeister im Zelt massakrieren.
16.August | Husum-Haparanda | 550km |
Wärmender Sonnenschein weckte mich. Beim Frühstück fragte ich mich, warum es so ruhig war und schaute auf die Uhr: Erst Sechs Uhr morgens. Die langen Tage und kurzen Nächte im hohen Norden hatten meine innere Uhr schon ziemlich durcheinander gebracht. Zudem schmerzte mich der Rücken, weil meine selbstaufblasende Matte stets am Morgen leer war und ich auf dem harten Untergrund lag. Trotz Eintauchen in den See konnte ich das Leck nicht entdecken und beschloss, bei der nächsten Gelegenheit eine Luftmatratze zu kaufen. Ein Blick Richtung Norden verhiess nichts gutes, denn schwarze Wolken zogen auf. Nach einer Stunde Fahrt begann es dann, bis zum nächsten Mogen, wie aus Kübeln zu regnen. Die Sohlen meiner fast neuen Outdoorschuhe hatten sich gelöst und so hatte ich nach kurzer Zeit nasse Füsse. Zitternd und frierend kaufte ich in Pitea Goretex-Schuhe, Luftmatratze und Handpumpe ein. Bei strömendem Regen traf ich am Abend an der finnischen Grenze ein und hatte angesichts der überfluteten Strassen das erste Mal auf dieser Reise überhaupt keine Lust, im Zelt zu übernachten. Im "Vandererhem", einer Art Jugendherberge, fand ich einen Platz und durfte meine Sachen im Heizungskeller trocknen. Hier traf ich auch vier Motorradfahrer aus Italien, welche ebenfalls zum Nordkapp unterwegs waren. Ich fragte sie, ob sie noch Lust hätten, bei diesem Wetter ganz nach oben zu fahren. Ihre Antwort: Nur 600 Kilometer vor dem Ziel aufgeben, niemals! Da ich noch Hunger hatte, suchte ich eine Pizzeria auf. In Schweden gibt es 3 Kategorien von Restaurants, solche die keinen Alkohol verkaufen dürfen, solche die nur Bier und Wein haben und solche die auch Spirituosen ausschenken. Da die Pizzeria zur ersten Sorte gehörte und ich Lust auf ein Bier hatte, begab ich mich in eine Bar. Dort traf ich Swantje, ein Vertreter von Büromaterial aus Lulea, der hier geschäftlich zu tun hatte. Er erzählte mir von seinen zwei Scheidungen und seinen Kindern und lud mich dann in eine Disco ein. Ich winkte dankend ab, denn ich war erkältet und freute mich nur noch auf eines: Ein trockenes, warmes Bett.
17.August | Haparanda-Inari | 520km |
Gut ausgeruht machte ich mich über das Frühstücksbuffet her und deckte mich mit Tee, Kaffee, Schinken und Käse ein. Beim Essen hatte ich eine gute Aussicht über den Fluss nach Finnland. Diese Wandererheime im hohen Norden sind eine praktische Sache und mit 40 Franken für Uebernachtung und Frühstück nicht teuer. Für Inhaber einer Mitgliedskarte ist das ganze noch um einiges billiger, diese wird jedoch nur an schwedische Bürger abgegeben. Ich hatte in Schweden dreimal übernachtet, zuerst gratis in Falun, dann auf einem privaten Campingplatz in Husum und zuletzt in der Herberge. Somit musste ich die lästige schwedische Campingkarte nicht lösen, denn die Schweden akzeptieren als einzige die CCI (Camping Card International) nicht und verkaufen lieber ihre eigene. Es regnete nur noch leicht, als ich in Richtung finnischer Grenze losfuhr. Die Strasse Richtung Rovaniemi war gut, breit und schnurgerade. Mir fielen die zahlreichen Lastwagen auf, welche leer Richtung Norden und voller Holzstämme mir entgegenkammen. In Rovaniemi war es nass und kalt, zudem staute sich der Verkehr Richtung Zentrum. Ich entschloss mich, direkt zum Polarkreis weiterzufahren. Dort angekommen kam mir ein Burgman entgegen, der einzige auf meiner Reise. Die Christmas Town war touristisch kitschig und Busse luden hordenweise Leute ab. Gegen Norden besserte sich das Wetter zusehends, nur ein kalter Wind wehte. Die Gegend wurde immer einsamer, Bäume sah man keine mehr, nur noch steppenartige Sträucher. Andere Verkehrsteilnehmer wurden immer spärlicher und die Tankstellen auch. Weil meine Tankuhr noch fast halbvoll anzeigte, fuhr ich an einer Tankstelle vorbei, was sich später als Fehler entpuppte. Schon seit einiger Zeit im roten Bereich fahrend, erreichte ich erleichtert die nächste Tankstelle. Doch die Tanksäulen waren dick eingepackt, bereit für den Winterschlaf. So fuhr ich weiter bis der Motor mangels Benzin abstellte, füllte zwei Liter aus meinem Ersatzkanister ein und fuhr etwas besorgt weiter. Ueberglücklich erspähte ich nach 40 Kilometern eine Tankstelle, welche ich praktisch mit dem letzten Tropfen Benzin erreichte. Als Lehre aus dieser Geschichte füllte ich den Tank häufiger als nötig nach dem Motto: Was du hast, das hast du. Beim Tanken traf ich noch drei Motorradfahrer aus Sachsen, welche ebenfalls zum Nordkapp fuhren. In Ivalo sah ich ein Schild Richtung Murmansk und mir kam die traurige Geschichte vom U-Boot Kursk in den Sinn, welches dort vor 5 Tagen mit über 100 Männern gesunken war. In Inari, am schönen gleichnamigen See, bezog ich eine Hütte, denn ich war immer noch erkältet und es wehte ein beissender Wind. In der Gemeinschaftsküche traf ich ein junges Paar, welches mit Kajak und Zelt unterwegs war. Zuerst unterhielten wir uns auf Englisch und dann auf Deutsch, bis wir belustigt feststellten, dass wir alle drei aus der Schweiz kamen und nur in 10 Kilometer Entfernung wohnten.
18.August | Inari-Nordkapp-Olderfjord | 520km |
Nach einem erholsamen Tiefschlaf bei absoluter Stille wollte ich zur Toilette gehen. Vor der Hütte stand der Platzwart und hielt mir mit finsterer Mine seine Uhr entgegen, welche halb zwölf Uhr mittags zeigte. Ich meinte, es sei erst halb elf, doch ich hatte vergessen, meine Uhr in Finnland eine Stunde vorzustellen. Wenn ich bis Zwölf die Hütte nicht verlassen hätte, müsse er noch eine Nacht berechnen. Ohne Frühstück fuhr ich dann um Viertel nach zwölf los. Die Strasse führte schnurgerade wie bei einer Berg- und Talbahn über zahlreiche Kuppen, sodass mir im Magen etwas flau wurde. Nach der Ueberquerung einer Kuppe mit 100 km/h standen zu meinem Entsetzen zwei Rentiere auf der Strasse. Ein Anhalten war nicht mehr möglich, also zielte ich zwischen ihnen durch. Vor den nächsten Kuppen verlangsamte ich von nun an meine Geschwindigkeit merklich. An einem See erblickte ich ein schönes Plätzchen für eine Rast. Ich machte mich übers Frühstück her und die Mücken über mich. An der norwegischen Grenze angelangt, stürzte sich eine Frau mit Notizblock auf mich. Der Tourismusverband von Finnland wolle die Gepflogenheiten der Touristen beim Geldausgeben kennenlernen. Etwas enttäuscht nahm sie zur Kenntnis, dass ich in Finnland nur einmal übernachtet, einmal eingekauft und ein paarmal getankt hatte. In Olderfjord füllte ich den Tank zum letzten Mal vor dem Nordkapp. Von dort gehts 140 Kilometer zum Nordkapp und wieder gleichviel zurück, was etwa dem Aktionsradius des Burgman entspricht. Bei der Tankstelle waren etwa 10 Motorradfahrer aus Spanien, welche gerade vom Nordkapp zurückkamen. Eine Frau schenkte mir ihr Eintrittsbillet zum Nordkapp: Umgerechnet stolze 30 Franken standen darauf. Sie warnte mich noch vor der schlechten Strasse, doch verglichen mit Polen war sie tadellos. Nach zahllosen Kurven, Tunnels und Brücken erreichte ich um sieben Uhr abends bei schönstem Sonnenschein das Ziel meiner Tour: Das Nordkapp. Mir wurde ganz anders ums Herz und ich spürte auf dem 300 Meter hohen Felsen am obersten Zipfel Skandinaviens, wie klein doch der Mensch gegenüber der Natur ist. Nach einigen Gedenkminuten bei der stählernen Weltkugel war ich froh, mich im geheizten Haus aufzuwärmen. Für den (normalerweise) happigen Eintritt könnten die Norweger einen Willkommenstrunk servieren; doch im Gegenteil wurde man im Souvenirshop und im Restaurant weiter abgezockt. Mit dem glücklichen Gefühl, das Nordkapp erreicht zu haben, fuhr ich in Begleitung der tiefstehenden Sonne nach Olderfjord zurück. Gerade noch vor der Schliessung der Reception um 23 Uhr erreicht ich mit fast leerem Tank den Zeltplatz, schlug wieder einmal mein Zelt auf und verbrachte die erste Nacht auf meiner neuen, schaukelnden Luftmatratze.
19.August | Olderfjord-Ballangen bei Narvik | 700km |
Frühmorgens packte ich mein Zelt bei eisigem Wind zusammen. In der Nacht hatte ich gefroren und dabei den mit Brennstäbchen betriebenen Taschenwärmer vermisst, den ich zu Hause vergessen hatte. Zudem war mir eine der beiden Schwachstellen meines Zeltes aufgefallen: Das Aussenzelt endet etwa in 5 Zentimetern Höhe, sodass der kalte Wind untendurch ins Zelt eindringen konnte. Die weitere Schwachstelle spürte ich dann in Jorpeland, doch davon später. Aber sonst bin ich mit dem One-Touch-Zelt "Patagonia" seit 3 Jahren sehr zufrieden. Es ist blitzschnell aufgestellt, nur 3kg leicht, geräumig und robust. Vor der Abfahrt tankte ich an der gleichen Tankstelle, wo ich gestern die Spanier getroffen hatte. Ein langer Weg erwartete mich entlang der norwegischen Westküste bis nach Kristiansand im Süden. Die E6 von Oslo zum Nordkapp gilt nicht umsonst als eine der Traumstrassen dieser Erde: Fjorde, Hochebenen, Galerien, Tunnels und Brücken wechseln sich ständig ab, aufgelockert durch unzählige Kurven. Viele schöne Fotosujets boten sich meinem fotografischen Auge an, doch ich wollte vorwärtskommen und nicht alle 5 Minuten anhalten. Unterwegs überholten mich die drei Sachsen, welche ich von Finnland her noch kannte. Während einem Gewitter holte ich sie dann wieder ein, denn sie hatten mit ihren Breitreifen etliche Mühe mit den Sturzbächen auf der Strasse. Bis Bjerkvik fuhren wir zusammen, wo sie dann wegen ihrer ständig vornübergebeugten Haltung entkräftet von den Motorrädern glitten und übernachteten. Eigentlich beabsichtigte ich nur noch 35 Kilometer bis Narvik weiterfahren, doch es wurden dann noch 80 bis nach Ballangen. Da es Samstag war, wollte ich mich in Narvik wieder einmal unter die Leute mischen. Beim Zeltplatz war die Wiese vom Regen überschwemmt und alle Hütten ausser einem 6-Bett-Haus vermietet. Da ich alleine war, bot mir der Platzwart die Hütte für 450 statt 600 Kronen an. Auf der Reise zahlte ich stets zwischen 180-210 norwegische Kronen pro Nacht für eine Hütte. So fuhr ich weiter bis Ballangen, wo ich eine freie Hütte fand und mir eine Pizza mit einem Bier genehmigte. Im Lokal hatten sich die Rentner des Dorfes eingefunden und tanzten zu Live-Musik. Ich unterhielt mich mit dem Tischnachbarn, einem ehemaligen Schiffsingenieur, über meine Reise und das Leben hier im hohen Norden. Es stimme schon, dass im Winter einen Monat lang totale Finsternis herrsche, aber dafür habe man dank dem Golfstrom milde Temperaturen im Gegensatz zu Lappland. Todmüde fiel ich später ins Hüttenbett und hörte den nahen Bergbach, der wegen der heftigen Niederschläge nicht rauschte, sondern bedrohlich donnerte und polterte.
20.August | Ballangen-Korgen bei Mo I Rana | 460km |
Kurz nach Ballangen endete die Strasse an einem Fjord. Die Ueberfahrt mit der
einzigen Fähre entlang der E6 von Skarberget nach Bognes dauerte etwa eine
halbe Stunde. Zum Glück hatte ich noch deutsche Mark dabei, denn Kreditkarten
wurden auf der Fähre nicht akzeptiert und ich hatte vergessen, norwegische
Kronen zu wechseln. Auf dem Schiff traf ich den Italiener, den ich schon am
Nordkapp gesehen hatte. Er war alleine mit einer Triumph und praktisch ohne
Gepäck unterwegs, weil er stets in Hütten oder Hotels übernachtete. Das
letzte Mal auf diesen Reise sah ich ihn dann in Kristiansand nochmals.
Gegenüber meiner ersten Reise nach Skandinavien konnte ich diesmal sorglos mit
den Währungen umgehen, denn mit der Mastercard war bargeldlose Bezahlung (fast)
überall möglich.
In diesem Jahr nutzte ich oft die Gelegenheit, bequem an den Tankstellen
einzukaufen. An vielen Orten gabs sogar frisches Brot und Früchte. Es ist zwar
etwas teuerer als in Lebensmittelläden, doch suchen und anstehen entfallen. Was
es in diesen Shops nicht gibt, ist Bier, doch davon mehr in zwei Tagen in Gol.
Nach Bognes, wo Norwegen nur 6 Kilometer breit ist, führte die E6 über die 3
Efjordbrücken, mit bis zu Hundert Meter hohen Pfeilern, zum Rago Nationalpark.
Die Fähre von Sommarset nach Bonnasjoen war durch eine kostenpflichtige Strasse
ersetzt worden, welche herrliche Fjordaussichten, Wasserfälle, hohe Berge,
zahlreiche Brücken und Tunnels bietet, von denen der Kalviktunnel mit fast 3
Kilometern der längste ist. Nach Fauske gings steil bergauf auf die riesige
Hochebene Saltfjell (700 Meter über Meer), durch die der Polarkreis geht. Gegenüber
Finnland kam mir der Polarkreis viel südlicher vor, dies lag wohl daran, dass
ich seit dem Nordkapp mehr gegen Westen fuhr. Beim Hinunterfahren auf der
Serpentinenstrasse nach Krokstrand entdeckte ich auf der rechten Seite den mächtigen
Svartisen-Gletscher. Bei strahlendem Sonnenschein erreichte ich Mo I Rana und
postierte mich vor dem grossen Touristboard. Diese nützlichen Tafeln
informieren in jeder Gegend über Restaurants, Uebernachtungsmöglichkeiten,
Banken, Läden und Tankstellen. Leider war im Ort kein Camping verzeichnet, also
fuhr ich weiter. Nach einigen Kilometern entdeckte ich einen Platz. Da sie aber
nur Visa akzeptierten, fuhr ich bis Korgen weiter, wo ich endlich Norwegische
Kronen wechselte.
Auf dem abseits des Dorfes idyllisch an einem Fluss gelegene Platz entdeckte ich
nur Hütten, aber keine Zelte. Wegen dem wolkenlosen Himmel konnte es in der
Nacht empfindlich kalt werden, also mietete ich zum letzten Mal auf dieser Reise
eine Hütte. Im Dorf entdeckte ich ein Mahnmal, das an die düstere Geschichte
vor über fünfzig Jahren erinnerte. Damals mussten Kriegsgefangene unter
unmenschlichen Zuständen Strassen bauen und Eisenerz für die deutsche
Kriegsindustrie fördern.
In der Abendsonne auf der Veranda schrieb ich endlich die Ansichtskarten, welche
ich am Nordkapp gekauft hatte. Meine Nachbarn, ein deutsches Paar, genoss den
Abend ebenfalls mit einem feinen Bier in der Hand. Sie erzählten, dass sie an
der polnischen Grenze wohnen und früher oft nach Polen einkaufen gefahren
waren, doch heute sei es nicht mehr viel günstiger als in Deutschland.
Scheinbar hatte die Frau mein leeres Schlucken bemerkt: Als ich von der Dusche
zurückkam, stand eine grosse Büchse Bier vor meiner Hütte! Als Gegenleistung
legte ich ein Schweizer Taschenmesser vor die ihrige und genoss das Abendrot und
den Nachttrunk.
21.August | Korgen-Malvik bei Trondheim | 480km |
Gut ausgeruht und mit einem währschaften Frühstück gestärkt fuhr ich
Richtung Mosjoen los. Dort fiel mir die Aluminiumfabrik negativ auf, welche eine
kohlrabenschwarze Rauchfahne in den stahlblauen Himmel entliess. Auch an anderen
Orten beschlich mich der Verdacht, dass es die Norweger nicht so genau mit dem
Umweltschutz nehmen. Doch da die Besiedlung hier oben sehr dünn ist, scheint
die Natur noch intakt zu sein.
Als ich später in Richtung Fellingfors mit 100 Sachen unterwegs war, kreuzte
eine Schafherde die Strasse. Dank den wirksamen Scheibenbremsen konnte ich mein
Gefährt noch rechtzeitig zum Stillstand bringen. Beim Umherschauen entdeckte
ich einen imposanten Wasserfall des Flusses Vetsna und ich beschloss
hinzufahren. Der Laksfoss stürzt 16 Meter in die Tiefe und hat seitlich eine
200 Meter lange Lachstreppe.
Im Restaurant mit schöner Aussicht auf den Wasserfall weckte ich mit einem
Kaffee meine Lebensgeister. Eine Gruppe Rentner schaute mich in meiner
Motorradmontur beim Hinausgehen argwöhnisch an. Ich bemerkte eine an einem
Stuhl hängende, vergessene Handtasche und rannte der Gruppe hinterher. Mit
strahlendem Gesicht nahm eine Dame ihre Tasche in Empfang. Beim Wegfahren des
Busses winkten mir alle zu, scheinbar hatte ich ihr Image von motorradfahrenden
Rowdys aufgebessert.
Bei Majavatn entdeckte ich den Namskogan Familienpark mit vielen nordischen
Tieren in ihrer natürlichen Umgebung. Da ich den Elch bisher nur von
dreieckigen Tafeln her kannte, wollte ich mal einen echten bewundern. Die
freundliche Frau am Eingang erklärte mir, dass ein Rundgang eine halbe Stunde
dauere, der Eintritt 90 Kronen betrage und die Elche mitten am Tage vielleicht
nicht zu sehen seien. Da ich weiter wollte und es auch noch zu regnen begann,
beschränkte ich den Besuch des Parks auf das Einwerfen meiner
Nordkapp-Grusskarten.
Je mehr man südlich kam, desto dichter wurde der Verkehr. Kurz vor Trondheim
nahm er mitteuropäische Masse an und ich dachte mit Wehmut an die einsamen
Fahrten im hohen Norden. Ebenfalls war die Gegend um den Trondheimerfjord
ziemlich flach, von Ackerbau geprägt und zum Fahren völlig unspektakulär.
Beim Bahnhof in Hell zückten alle englischsprachigen Touristen ihre Kameras, um
die Tafeln "Railway Station Hell" und "Gods Expedisjon"
abzulichten. Mir als geneigtem Bierliebhaber kam höchstens ein "Lagerbier
Hell" in den Sinn.
Weil in Trondheim kein Campingplatz eingezeichnet war, steuerte ich kurz davor
in Malvik einen an. Der Platzwart erklärte mir, dass alle Hütten von Asylanten
belegt seien und so nur noch Zelten möglich war. So stellte ich in Kälte und
Regen mein Zelt unter den Blicken der Farbigen auf. Nur noch ein weiteres Zelt
befand sich auf dem Areal, eine Familie aus dem Schwarzwald. Beim Einschlafen hörte
ich Schritte um meinen Roller. Besorgt entstieg ich dem warmen Schlafsack und
montierte das Bremsscheibenschloss.
22.August | Malvik-Gol | 520km |
Am Morgen entdeckte ich erschrocken, das ich zwar das Schloss angebracht,
dabei aber den Zündschlüssel steckengelassen hatte. Zum Glück hatten die
Asylbewerber meinen Roller nur aus Neugierde angeschaut.
Da es mich nach Süden weiterzog, liess ich Trondheim links (bzw. rechts) liegen
und benützte die für Motorräder kostenlose Umfahrungsautobahn.
Entlang des ehemaligen Königswegs aus dem 12. Jahrhundert ging es durch das
wilde Drivdalen bis auf über 1000 Meter Höhe nach Kongsvoll. Im Windschatten
des fast 2300 Meter hohen Snohetta liegt die trockenste Ortschaft Norwegens:
Hjerkinn.
Auf der Hochebene des Dovrefjell Nationalparks waren wieder freilaufende Schafe
unterwegs, doch seit dem Vorfall in Laksfors fuhr ich entsprechend vorsichtig.
Wieder einmal fielen mir die mit Erde bedeckten und begrünten Dächer der Häuser
auf. So erzielt man eine gute Isolation und spart sich den Dachdecker, höchstens
ein Gärtner wird benötigt.
Nach Otta verliess ich die E6, um via Gol in Richtung Stavanger zu fahren, denn
mein nächstes Ziel war der Prejkestolen am Lysefjord. Das Wetter besserte sich
zusehends und ich traf bei strahlenden Sonnenschein im Urlaubsort Gol ein. Auf
dem Campingplatz war kein Platzwart anzutreffen sondern nur eine Tafel mit den
Preisen und eine Kasse zum Einwerfen des Geldes: Vertrauen gegen Vertrauen. Ich
schlug mein Zelt neben einem Motorrad mit Seitenwagen auf, das einem Paar aus
Holland gehörte. Der Mann hatte bei einem Unfall ein Bein verloren, doch seine
Liebe zum Motorradreisen war geblieben. So musste er es sich im Seitenwagen
bequem machen und seine Freundin pilotierte das Gespann. Es waren nette,
aufgestellte Leute und wir fachsimpelten lange über Motorräder und
Roller.
Vor dem Schlafengehen verspürte ich wieder einmal den Wunsch nach einem Bier.
In der Tankstelle verwies man mich auf einen Lebensmittelladen, der bis 21 Uhr
geöffnet war. Voller Vorfreude stellte ich ein Sixpack auf das Förderband,
doch der Kassier nahm es sofort wieder herunter. Bier gebe es nur bis 20 Uhr und
jetzt sei 20 Uhr 30. Frustriert verliess ich den Laden und betrat auf der andern
Strassenseite ein Restaurant. Auf meine Bitte hin, eine Flasche Bier zum
Mitnehmen kaufen zu wollen hiess man mich absitzen. Es sei in Norwegen
Vorschrift, dass man Alkohol im Restaurant konsumiere. Na dann Prost und später
angetrunken heimfahren, ist das sinnvoll? Andere Länder, andere Gesetze...
23.August | Gol-Jorpeland | 450km |
Am Thermometer, das ich am Burgman montiert hatte, konnte ich am Morgen nach
einer sternenklaren Nacht 3 Grad ablesen. Frierend zog ich es vor, das Frühstück
im Zelt bei eingeschaltetem Gaskocher einzunehmen.
Von Gol gings steil das Ustedalen hinauf bis auf fast 1250 Meter Höhe. Immer
mehr Schneefelder waren zu sehen und teilweise reichten sie bis fast zur Strasse.
Eine riesige schwarze Nebelwand lag vor mir, sodass ich Angst vor Schneefall
bekam. Zum Glück blieb es trocken und ich steuerte den Gebirgsgasthof Halne an,
um mich mit einem Kaffee aufzuwärmen.
Auf dem Parkplatz standen drei Motorräder mit St.Galler Kennzeichen und die
Fahrer staunten nicht schlecht, als ich sie auf Schweizerdeutsch ansprach. Sie
reklamierten, dass es hier im Sommer so kalt sei wie in der Schweiz im Winter.
Sie hatten in Geilo übernachtet, doch es sei überhaupt nicht so gewesen, wie
der Name vermuten liess. Darum würden sie nach Bergen fahren, um dort weiter
nach hübschen Norwegerinnen zu suchen. Als ich ihnen erklärte, dass ich mit
dem Roller am Nordkapp gewesen war, schauten sie mich ungläubig an.
Im Restaurant war ausser mir kein Gast, so setzte ich mich an den Personaltisch.
Zwei Männer und eine Frau verbrachten ihre Pause dort und ich unterhielt mich
mit ihnen. Alle drei kamen aus Polen, Kattowize, und arbeiteten als Saisonniers
in Norwegen. Die Saison gehe noch bis Ende September, dann sei der Pass im
Winter geschlossen. Sie freuten sich umso mehr, im Oktober nach Polen zurückzukehren,
als ich ihnen von meiner Reise durch Breslau, Bromberg und Danzig erzählte.
Während der Talfahrt nach Eidfjord folgte ich dem Schild Voringfossen zum
Berggasthof Fossli hinauf, von wo man eine wunderbare Sicht auf den Wasserfall
geniesst. Hundert Meter unter einem beginnt der Fall und endet mit riesiger
Gischt und Getöse im 300 Meter tiefer liegenden Tal.
Die Fahrt von Eidfjord nach Odda war ein Motorrad-Leckerbissen. Die Strasse war
nur etwa 4 Meter breit und Kurve reihte sich an Kurve. Autos und Lastwagen
mussten Schritttempo fahren, denn ein Kreuzen war nur schwer möglich. Mein
Tempo war höchstens durch die Kurven beschränkt. Durch zahlreiche Tunnels
gings wieder über 1000 Meter hoch nach Sauda. Bei der Einfahrt in ein
unbeleuchtetes Tunnel erwartete mich vollkommene Dunkelheit. Nach einer Pause
hatte ich vergessen, das Licht einzuschalten und so hielt ich instinktiv an.
Nach dem Einschalten des Lichts erschrak ich nicht schlecht: Ein Meter vor mir
war die Tunnelwand, denn das Tunnel war als Rechtskurve gebaut worden!
Heil in Nesvik angekommen war ich froh, dass die Fähre bereits angefahren kam.
Doch nach der Ausfahrt des letzten Autos ging die Luke zu und das Schiff
entfernte sich von dannen. Es bediente vorher noch die Insel Randoy, also hiess
es eine Stunde warten. Ziemlich spät kam ich dann im Prejkestolencamping bei
Jorpeland an und schlug mein Zelt in einer windgeschützten Mulde auf.
24.August | Jorpeland-Stavanger-Jorpeland | 50km |
In der Nacht hatte es heftig zu regnen begonnen und am Morgen stand mein Zelt
in einem kleinen See. Jetzt konnte ich einen weiteren Nachteils meines Zelts
erleben: Der Nylonboden liess das Wasser durch. Die Nachbarn um mich in
Wohnwagen und Caravans hatten scheinbar Mitleid mit mir. Die Holländer vor mir
luden mich zu einem Tee und die Deutschen hinter mir zu einem Kaffee ein. Zum Glück
war nur meine Luftmatratze nass geworden und so zügelte ich das Zelt auf einen
erhöhten Platz. Riesenpech ereilte drei Motorradfahrer aus Berlin, denn bei
ihnen wurde alles nass, inklusive Schlafsack und Kleider.
Ich schaute Richtung Prejkestolen, doch ausser Nebel konnte ich nichts erkennen.
Dies bedeutete eine Wartetag und ich beschloss, per Fähre das Oelmuseum in
Stavanger zu besuchen. Interessant war es, die Geschichte der Erdölförderung
zu erfahren. Von den ersten Versuchen in China mit Bambusrohren bis auf eine
Tiefe von 60 Meter, bis zu den 300 Meter hohen schwimmenden Plattformen in der
Nordsee ging die Palette. Mit zahlreichen Modellen wurde die Entwicklung
anschaulich illustriert. Besonders beeindruckend war der ausgestellte Bohrkopf
mit einem Durchmesser von 90 Zentimetern und einem Gewicht von fast 2
Tonnen.
In das Leben auf einer Plattform konnte man sich anhand von Filmen und einem
begehbaren 1:1 Modell einfühlen. Leider war auch die Erdölförderung nicht von
Havarien verschont. So verursachte ein falsch eingesetztes Ventil den Tod von über
100 Arbeitern und den Ausfluss von Millionen von Litern Oel. Erst der
eingeflogende "Red Adair" aus Texas konnte die Katastrophe eindämmen.
Nach dem Rückgang des Walfangs verdankt Norwegen jetzt einen Grossteil seines
Wohlstands den Plattformen in der Nordsee.
25.August | Jorpeland-Kristiansand | 270km |
Bei schönstem Wetter fuhr ich frühmorgens zur Prejkestolenhütte, von wo
aus ein zweistündiger Fussmarsch hinauf zum Prejkestolen (= Kanzel) führt.
Nach einer vermeintlichen Abkürzung verlor ich den Weg und befand mich nach 2
Stunden und einer kleinen Kletterpartie erhöht über dem Prejkestolen wieder.
Ueberall war es sonnig, doch ausgerechnet am 600 Meter hohen Felsen stiegen
dichte Nebelfetzen empor, sodass man den Lysefjord nicht erkennen konnte. Durch
die eckigen, schemenhafte Umrisse erschien der Prejkestolen noch unheimlicher
und majestätischer.
Ausser mir wartete noch ein Fotograf aus Sachsen auf bessere Sicht, denn er
wollte professionelle Stereobilder schiessen. Als nach einer Stunde der Nebel
verschwand, zog sich mein Magen beim Augenblick der grausigen Tiefe zusammen und
ich wich automatisch einen Schritt zurück. Dann stieg ich zur Kanzel hinunter,
traf noch den deutschen Campingnachbarn und nahm diesmal den offiziellen, gut
ausgebauten Weg zum Parkplatz hinunter. Nach einer Dusche und dem Zusammenpacken
des Zeltes war es zum Glück noch nicht 13 Uhr, denn bei einer späteren Abfahrt
hätte man noch eine folgende Nacht berappen müssen.
Mit Freude, den Süden erreicht zu haben und mit Wehmut, dass das
Skandinavienabenteuer bereits vorbei war, fuhr ich nach Kristiansand, wo mich
ein schön gelegener Campingplatz direkt am Jachthafen empfing. Nach der
Reservation eines Tickets für 8 Uhr morgens nach Hirtshals übernachtete ich
zum letzten Mal auf dieser Reise in Norwegen.
26.August | Kristiansand-Skagen | 50km |
Das erste Mal auf der Reise riss mich der Wecker frühmorgens um Sechs aus
dem Schlaf. Als ich um Sieben am Hafen eintraf, warteten schon zirka 10
parallele Autokolonnen auf Einlass in die Fähre. Es ist jedesmal erstaunlich,
wieviele Lastwagen und Autos in so einem Schiff Platz finden. Man hatte mich in
die Wartespur für die "Garage" eingeteilt, ein kleiner Raum für ein
Dutzend Autos ziemlich hoch im Schiff. Das lange Warten in Kristiansand wurde
dann in Hirtshals belohnt, wo ich mittags als erster das Schiff verlassen
konnte. Strahlend blaues Wetter empfing mich und die ungewohnt hohe Temperatur
von 25 Grad liess mich mächtig schwitzen.
Sofort steuerte ich den Campingplatz beim Leuchtturm an, wo ich schon 1998 übernachtet
hatte. Der Platzwart erklärte mir, ich solle schon mal das Zelt irgendwo
aufstellen, der Empfang sei dann ab 14 Uhr geöffnet. Ich entschied mich für
einen Platz in der vordersten Reihe mit Meersicht. Kaum war der Rollermotor
abgestellt, kam schon ein dänisches Paar dahergerannt und meinten, dass sie
ihren Wagen auf dieser Stück Wiese abstellten und dass dies überhaupt keine
Parzelle sei. Von Parzellen hatte ich auf der ganzen bisherigen Reise nichts gehört,
aber in Dänemark herrschte wohl Zucht und Ordnung. Also begab ich mich zur nächsten
freien Parzelle. Doch auch hier konnte ich mich nicht niederlassen, denn der
Platzwart kam angefahren und rief, dass dieser Platz reserviert sei und ich
etwas in der zweiten Reihe suchen solle. Langsam wurde mir das Theater zu blöd,
ich schnallte mein Zelt wieder auf und fuhr nach Skagen, denn ein Einheimischer
hatte 1998 von diesem Ort geschwärmt und ich bereute es nicht.
Der Campingplatz war nur 2 Kilometer vom Zentrum entfernt, sodass ich am Abend
zu Fuss zum Hafen ging. An diesem Samstagabend war mächtig viel los, denn viele
Schweden aus Göteborg wollten hier durchzechen. Nach einem saftigen Steak, ein
paar würzigen Bieren und einem Discobesuch hüllte ich mich weit nach
Mitternacht in meine Schlaftüte.
27.August | Skagen | 20km |
Am Morgen wehte ein starker Wind und ich war froh, dass viele Bäume und Sträucher
den Campingplatz schützten. Tags zuvor hatte ich nicht mehr viel vom nördlichtsten
Teil Dänemarks gesehen, das wollte ich nachholen.
Nach einem Mittagessen am Hafen, das aus Fisch bestand, fuhr ich am alten
Leuchtturm vorbei. Dieser war vor zirka hundert Jahren errichtet worden und weil
der Zusammenstoss der Nord- und Ost-See jedes Jahr bis zu fünf Meter neues
(Sand-)Land anschwemmt, befindet er sich mittlerweilen über 500 Meter im
Landesinnern. Vom neuem Leuchtturm am Meer gings dann durch den Sand zu Fuss
weiter. Beim nördlichsten Punkt warnten überall Tafeln vor einem Bad im Meer,
denn die Strömungen zwischen Nord- und Ost-See sind lebensgefährlich.
Einige Allradfahrzeuge fuhren am Strand entlang, aber auch einer mit einem
Mercedes hatte sich Richtung Meer gewagt: Nach einigen hundert Metern musste er
abgeschleppt werden. Eindrucksvoll waren auch die Windgeneratoren, deren Rotoren
über 10 Meter massen und sich surrend im Winde drehten.
Am Abend war im Ort tote Hose. Viele Restaurants und auch die Disco waren am
Sonntag geschlossen. Als letzter Gast verschlang ich in einer Pizzeria eine
Pizza, als drei Typen mit Bomberjacken eintraten. Sie wollten das
"Sandwich" abholen, doch der Wirt füllte die Papiertüte an der
Kasse. Es schien, dass auch hier kleine Geschenke die Freundschaft erhalten oder
wenigstens die Schlägertrupps fernhalten...
28.August | Skagen-Bremen | 700km |
An diesem Montagmorgen befand ich mich praktisch alleine auf dem
Campingplatz, denn für viele waren die Ferien am Wochenende zu Ende
gegangen.
Mir wehte ein starker Wind entgegen, sodass es mir bei Böen fast den Helm vom
Kopf wehte. In diesem Moment beschloss ich, einen neuen Helm zu kaufen, denn
mein 7-jähriger "Römer-Topf" war so ausgeweitet, dass er viel zu
locker sass. Zuhause legte ich mir dann einen Umax Boss 3000 zu, der dank
Doppelvisier kaum mehr beschlägt. Auf der Landstrasse bis Frederikshavn waren
die Windgeräusche noch zu ertragen, doch auf der Autobahn musste ich
Ohrstöpsel montieren. Mit starkem Gegenwind und konstant 120 km/h schaffte der
Burgman kaum mehr 200 Kilometer mit einer Tankfüllung, was einem Verbrauch von
etwas über 6 Litern entsprach. Auf der bisherigen Reise ohne Autobahnfahrten
hatte sich der Durst bei 4-5 Litern Sprit eingependelt. An diesem Tag war ich
gezwungen, dreimal eine Tankstelle aufzusuchen. Bei einem Halt traf ich drei
Norweger, die mit ihren Goldwings zu einem Treffen in Holland unterwegs
waren.
Da ich Dänemark schon 1998 und 1999 besucht hatte, beschloss ich die Autobahn
bis nach Hamburg zu nehmen. In Hamburg erinnerte ich mich an den schönen
Campingplatz am Stadtwaldsee in Bremen und fuhr weiter.
29.August: | Bremen | 30km |
Schon in Norwegen war mir aufgefallen, dass der Hinterpneu
praktisch kein Profil mehr aufwies. Diesen Ruhetag in Bremen wollte ich dazu
benützen, einen neuen Pneu montieren zu lassen. Also fuhr ich am Morgen zum
grössten Suzuki-Händler und schilderte ihm mein Problem. Da heute niemand mehr
etwas am Lager hat, hätte er den "Bridgestone" bestellen und ich
hätte bis am Freitag warten müssen. Er könne auch einen "Pirelli"
aufziehen, doch müsse man dann Vorder- und Hinterreifen erneuern und die
Wartefrist sei gleichlang. Ich winkte ab und beschloss, den Pneu erst in der
Schweiz zu wechseln.
Am Nachmittag besuchte ich die Windmühle und das schmucke Altstadtviertel
"de Schnoor". Am Abend landete ich im "Turm", wo sich viele
Junge zu guter Musik trafen.
30.August | Bremen-Bad Friedrichshall | 600km |
Auf der Autobahn in Richtung Schweiz kam ich gut voran, doch der Hinterpneu
machte mir Sorgen, denn ein Platzen hätte hier verheerende Folgen.
Der Campingplatz in Bad Friedrichshall war schön an einem Weiher gelegen. Der
Platzwart kam mir aber unfreundlich vor, denn er verlangte Vorkasse,
beschlagnahmte meinen Pass und quartierte mich neben einer Horde Jugendlicher
ein, welche Abfallberge um ihre Zelte gehäuft hatten. In der platzeigenen
Waldschenke verspies ich ein währschaftes Jägersteak mit Pommes und fiel bald
danach in Tiefschlaf.
31.August | Bad Friedrichshall-Zürich | 350km |
Aus Sorge zu meinem völlig abgefahrenen Hinterpneu beschloss ich, die
Autobahn am letzten Tag meiner Reise zu meiden und dafür über den Schwarzwald
zu fahren.
Vor Freudenstadt begann es zu regnen und ich suchte mir einen Gasthof fürs
Mittagessen aus. An meinem Tisch sass ein pensioniertes Paar aus Stuttgart, mit
dem ich ins Gespräch kam. Als ich erzählte, dass ich von Zürich komme, fiel
die Frau sofort zu schwärmen an. Sie hatte am Universitätsspital die
Krankenschwesterschule absolviert, welches die schönste Zeit ihres Lebens
gewesen sei.
Bei der Fahrt zur Grenze war das Wetter dasselbe wie beim Start der Reise:
Dauerregen. In der Schweiz kam ich in den Feierabendverkehr und hatte von Baden
bis Zürich Stau. Wehmütig dachte ich an die einsamen Gegenden im hohen Norden.
Auf dieser Nordkapptour musste ich erfahren, dass 9000 Kilometer in 4 Wochen
keine Zeit übriglassen, um Land und Leute kennenzulernen, doch die Erinnerung
an die faszinierenden Landschaften wird für immer in meinem Gedächtnis
bleiben...