( interaktive Landkarte )
24. Juli | Zürich | Bad Kissingen | 380 km |
Dieses Jahr packte ich schon am Vorabend, damit ich in aller
Ruhe nochmals die Check-Liste durchgehen konnte. Das Gepäck bestand wie in den
letzten Jahren aus allen Zeltutensilien und Kochwerkzeug, dazu warme Kleider und
Regenklamotten. Zusammen mit dem Topcase hatte ich 100 Liter Kofferraum zur
Verfügung, wodurch man auf Seitenkoffer verzichten kann. Auch die drei
Staufächer in der Burgmanfront sind sehr nützlich, aber leider nur eines
abschliessbar. Die Fotoausrüstung setzte sich aus einer manuellen, analogen
Spiegelreflexkamera Minolta X-700 mit 28-105 mm für Landschaftsaufnahmen
zusammen. Zusätzlich hatte ich noch eine vollautomatische, digitale
Sucherkamera von Samsung mit 2.1 MPixel und 35-115 mm für Schnappschüsse und
Personenaufnahmen eingepackt.
Nachts gingen meine Gedanken
nordwärts und ich überlegte mir, ob es eine gute Idee war, die Islandfähre
nicht im voraus zu buchen. Bereits 2001 war ja in Bergen deswegen Endstation
gewesen. Doch erstens war es erst Juni und zweitens hatte die neue Fähre,
dieses Jahr erstmals in Betrieb, fast die doppelte Kapazität. Also war ich
guten Mutes und beschloss im unwahrscheinlichen Fall einer vollen Fähre, die
Bretagne und die Normandie zu besuchen.
Frühmorgens um 7 Uhr gings dann los auf
die grosse Reise. Rings um Zürich bis nach Winterthur herrschte dichter
Pendlerverkehr, doch ab Schaffhausen war ich alleine auf der Strasse. An der
Grenze musterte der Zöllner meinen Gepäckberg auf dem Sozius, bestehend aus
Zelt, Schlafsackrolle und Sporttasche (für Regenkombi etc.), doch er winkte
mich durch. Es war ganz aussergewöhnlich, einmal bei schönem Wetter zu
starten, hatte ich doch die letzten Jahre meistens Dauerregen bei der Abfahrt.
Dies hatte den Vorteil, dass das Wetter nur besser werden konnte. Aber dieses
Jahr wurde es zwar nicht täglich schlechter, dafür kälter. Am Vortag war
es in der Schweiz 36 Grad heiss gewesen, so genoss ich jetzt die
"kühlen" 25 Grad in Deutschland. Wie jeder Schweizer in deutschen
Landen wollte auch ich wissen, was mein Gefährt läuft. Ich drehte am Gasgriff
und schaute der Digitalanzeige zu, wie die Zahlen immer grösser wurden. Bei 180
stoppte ich den gefährlichen Versuch, denn mit dem vielen Gepäck war der
Roller extrem seitenwindempfindlich. 120-140 km/h erwies sich als
angenehme Reisegeschwindigkeit auf Autobahnen.
Bereits am Mittag erreichte ich
mein Etappenziel Würzburg. Auf der Burg genoss ich feine Thüringer Bratwürste
mit Sauerkraut und hatte eine schöne Aussicht auf die Stadt. Ein Bier hätte
zum Mahl gepasst, doch das verschob ich auf den Abend, denn ich wollte nicht
schon das Zelt aufschlagen. Auf schöner Strecke übers Land gings weiter nach
Gemünden. Die Altstadt und der Zeltplatz gefielen mir, doch letzterer öffnete
erst in einer halben Stunde. Also fuhr ich weiter via Hammelburg.
Der AN650 ist
zwar fast 50 kg schwerer als der AN400, doch er hat 50 % mehr Leistung. Dank
dieser war das Gepäck nicht zu spüren und es war eine Freude, Autos zu
überholen. Der schöne Zeltplatz in Bad Kissingen direkt neben dem Kurpark
bewog mich zum übernachten. Ich staunte, wie viel Platz noch frei war; es
war ja erst Vorsaison. Erstmals nahm ich meine selbstgebastelten Häringe aus
vollem, zugespitztem Alurohr in Betrieb. Vor allem im steinigen Boden in Island
bewährten sie sich hervorragend. Beim Flanieren am Abend Richtung Altstadt
bemerkte ich etwas enttäuscht, dass hier nur Senioren am Kuren waren:
Wassertreten, barfuss gehen und Strauss-Walzer hören war angesagt. Was ich erst
nachts bemerkte war die Brücke, angrenzend an den Campingplatz. Von dort her
schallte ein solcher Autolärm, dass ich die Bezeichnung Kur-Camping nicht ernst
nehmen konnte.
25. Juni | Bad Kissingen | Garbsen bei Hannover | 380 km |
Am Morgen wollte ich noch die Ruine auf dem Hügel besuchen. Da ich keine Strasse dorthin fand, bog ich auf die Autobahn und sauste Richtung Kassel. Die Autobahnstrecke war nicht interessant und auch anstrengend, musste doch ständig im Rückspiegel beobachtet werden, ob nicht wieder ein BMW, Audi, Mercedes oder Porsche mit über 200 Sachen angebraust kam. Erleichtert verliess ich die BAB und gondelte durchs Weserbergland via Münden, Hoxter nach Hameln. Kurz vor Hannover bei Garbsen fand ich einen Zeltplatz, schön gelegen mit Sandstrand am Blauen See. Ganz allein auf dem Zeltberg fand ich ein schattiges Plätzchen. Zum Glück war Mittwoch, denn die Platzleitung hatte mir gesagt, dass am Wochende bis 3 Uhr morgens jeweils der Teufel los sei. Einziger Wermutstropfen war die nahe Autobahn, deren Lärmpegel zwar hoch aber wenigstens gleichmässig war. Ich hatte mächtig Hunger. In der Campingkneipe gabs nur Fastfood und der Biergarten auf der anderen Seite des Sees war geschlossen. So fuhr ich nach Garbsen hinein und genoss bei untergehender Sonne vor einem Bistro gegenüber dem Rathaus ein gutes Nachtessen. Am Blauen See tummelten sich bei meiner Rückkehr die unterschiedlichsten Leute: Ein Mann verhandelte mit drei sehr jungen Männern, ein andere blätterte in einem Hochglanzmagazin, eine Gruppe Jungendlicher betrank sich am Strand und wieder andere spielten Badminton oder joggten. In der Kneipe traf ich ein Paar, welches Dart spielte. Sie hausten in einem Wohnwagen, das sei günstiger als eine Mietwohnung. Auch wenn sie nicht viel Geld besassen, sie hatten das Herz am richtigen Fleck. Ich begab mich bald zur Nachtruhe und sie wünschten mir eine gute Reise.
26. Juni | Hannover | Sonderborg | 360 km |
Am Morgen fröstelte mich. Ein Blick aufs Thermometer gab die Erklärung: 10
Grad. Nach der Gluthitze der letzten Tage schon ziemlich frisch, doch für
Island immer noch tropisch, doch davon später. Auf schönen Landstrasse gings
via Steinhuder Meer, Nienberg, Verden mit schöner Altstadt und Rotenburg
Richtung Autobahn. Eindrücklich war der grosse, künstliche Tagbau-Berg bei
Wunstorf. Bei Hamburg herrschte ein riesiger Stau, aber zum Glück in meiner Gegenrichtung. Immer wieder kamen mir Dutzende von Motorrädern entgegen,
wahrscheinlich ein Treffen irgendwo. Ganz schön praktisch war das Passieren der
dänischen Grenze mit Tempo 60: kein Zöllner und kein Stau. Auf der dänischen
Autobahn konnte man sich von der Raserei in Deutschland erholen, denn Tempo 110
war angesagt. Auf Landstrassen gings später Richtung Sonderborg. Mir fiel auf,
dass kein Schild ein "Aufgehoben" anzeigt. Bei jeder
Tempobeschränkung oder Ueberholverbot steht am Anfang ein Schild mit z.B.
"100-600 Meter". Demzufolge muss man selber entscheiden, wann man
wieder auf die Tube drücken oder überholen darf.
Der Campingplatz bei
Sonderborg war schön gelegen in fussweite vom Zentrum. Am Abend war dann
Besichtigung von Burg und Skyline angesagt. Ich wollte meine Euros in dänische
Kronen wechseln, doch alle Wechselstuben hatten bereits geschlossen. So kaufte
ich eine Kleinigkeit an einem Kiosk und erhalt das Rückgeld in dänischen
Kronen, natürlich zu einem miserablen Wechselkurs. In "Jensens Bofhus"
stärkte ich mich mit einem leckeren Steak und schlenderte zum Zeltplatz
zurück. Scheinbar gibts hier für die Jugendlichen am Abend nur zwei
Möglichkeiten zum Zeitvertreib: Mit den Autos/Motorrädern durch die Stadt
rasen oder Bier trinken bis zum Umfallen. Erstaunt hat mich, dass keine Polizei
zu sehen war, fuhren doch viele auch durch die Fussgängerzonen...
27. Juni | Sonderborg | Hanstholm | 340 km |
Bis Kolding benützte ich die Autobahn. Trotz Tempo 130km/h und einer
Geschwindigkeitsbegrenzung von 110 überholte man mich ständig, scheinbar ist
Radar in Dänemark unbekannt. Danach gings via Herning und Holstebro zum
Nissumer Fjord, wo eine Rast erfolgte. Ueber sandige Wege suchte ich mir ein
schönes Wiesenplätzchen und breitete mich aus. Sofort kam ein Angler auf mich
zu und ich ahnte nichts gutes wegen dem Fahrverbot. Es war ein redseliger
Einheimischer, der ursprünglich aus Norwegen stammte. Er sprach gut deutsch und
erzählte von seiner Tochter, welche in Wien lebe. Erst als ich ihm alles
erklärt hatte über Autokennzeichen, Kantone und Sprachen in der Schweiz liess
er von mir ab und warf seinen Angelhaken aus.
Unterwegs hatte sich eine Kolonne hinter
einer Strassenreinigungsmaschine gebildet. In der Mitte war eine doppelte
Sicherheitslinie und es herrschte reger Gegenverkehr. Da noch über ein Meter
Platz war, liessen mich alle Autos passieren, bis auf den vordersten. Trotz
zuerst Fernlicht und dann Hupe klebte dieser an der Sicherheitslinie. Als ich
eine Lücke im Gegenverkehr ausmachen konnte, schaltete ich in den "Powermode"
und überholte mit erhobenem Finger zum Gruss. Ich dachte, solche primitiven
Autofahrer gebe es nur bei uns...
Den Camping in Hanstholm steuerte ich auf
Anhieb an, war er mir doch noch von 1998 her bekannt mit seiner riesigen Wiese
mit Meersicht. Diesmal erst fielen mir die Bunker am Strand auf. Es waren die Reste der
grössten Festung Nordeuropas aus dem 2. Weltkrieg, welche aus einem ganzen
Festungssystem mit unterirdischem Munitionszug für die Verteilung der
gefürchteten 38cm-Kanonenmunition bestand.
Das Zentrum war an diesem
Freitagabend wie ausgestorben, nur ein Jahrmarkt ohne Leute und zwei Pubs mit
besoffenen Typen war vorhanden. Auf die Frage, wo denn die Leute seien, meinte
man, dass im nahen Thisted die Post abgehe. Vielleicht bei der Rückfahrt,
plante ich schon einmal ein und fuhr zurück zum Zeltplatz. Dort kam ein
norwegischer Goldwingfahrer zu meinem Zelt und wir fachsimpelten über Roller.
Ihm gefiel der Burgman, denn sein Gefährt sei für den täglichen Gebrauch
einfach zu schwer und unhandlich. Er war mit dänischen und schwedischen
Freunden in Polen gewesen und allen sei in Gdynia das Zelt ausgeräumt worden,
nur der polnischen Familie daneben nicht: Welch ein Zufall.! Zum Glück musste
ich das bisher nie auf meinen Rollerreisen erleben.
28. Juni | Fähre | Abfahrt 20.00 |
Die Temperaturen waren mächtig gestiegen und es wurde gegen 30 Grad heiss an
diesem Tag. Trotz kurzer Zeit ohne Shirt bekam gab es einen leichten Sonnenbrand. Um sicher noch ein Ticket nach Island zu ergattern fuhr ich frühmorgens zum
Hafen, musste aber zu meiner Enttäuschung lesen, dass der Schalter erst um 14
Uhr öffnete. Also hiess es die Zeit totschlagen bis dann. Nach dem Besuch der
Bunkeranlage, schlendern am Strand und Aussicht geniessen vom Leuchtturm fuhr
ich mit gemischten Gefühlen wieder zum Hafen und schwor mir: Wenn es jetzt
wieder kein Billet mehr hat, dann ist Island endgültig vom Tisch und ich werde
mich am Abend in Thisted den Frust runterspülen. Am Schalter verlangte ich ein
Ticket mit Viererzimmer für Island retour. Die freundliche Dame meinte "of
course" und mir polterte ein Stein vom Herzen.
Noch ein Wort zu den
Kabinen. Die günstigste Art zu schlafen sind nicht mehr die Schlafsessel,
welche bei der neuen Norröna weggefallen sind, sondern gemischte 9-Bettkojen.
Diese sind aber noch unter dem Autodeck platziert, stickig, heiss und lärmig.
Zudem sind die Liegeplätze etwa so gross wie Särge, an Schlaf ist also kaum zu
denken. Die nächst teurere Variante sind die nach Weiblein und Männlein
getrennten Viererkabinen mit Dusche. Wenn man nicht allzu ekle Zimmergenossen
hat, ist das die von mir empfohlene und gewählte Zimmerart (ca. 1100 Euro
retour inkl. Motorrad). Für Paare gibts auch Zeierzimmer, doch sind diese
wiederum einiges teurer, ganz zu schweigen von den Suiten. Die Viererkabinen
waren oben im 6. und 7. Stock (von total 8) anzutreffen, ruhig und angenehm
klimatisiert. Theoretisch hätte man um 16 Uhr an Bord fahren können, doch
infolge Probleme mit dem Hubmechanismus des Cardecks war dies erst eine Stunde
später möglich. Demzufolge genügend Zeit um die umstehenden Motorradfahrer zu
beschnuppern. André aus Deutschland und Sven und Marlene aus Dänemark waren
mir sympathisch. Wir waren dann in der Folge auf dem Schiff und auf den
Färöern stets zusammen. André verlor ich in Egilstadir und das dänische Paar
nach dem Myvatn aus den Augen, doch davon später.
Endlich war Einlass und wir
konnten unsere Zweiräder zwischen Metallbügeln verankern. Da ich die
herumliegenden Gurte nicht bedienen konnte, kamen meine eigenen Spanngurte zum
Einsatz. Wie auch schon am Nordkap war mein Burgman der einzige Roller unter
vielen Motorrädern. Einer witzelte, ob man mit dem Teil denn auf die Autobahn
dürfe. Später erfuhr ich auf Island, dass der Spöttler schon am ersten Tag
schwer gestürzt war (kein Kommentar).
Von 1500 möglichen waren nur 900 Passagiere an
Bord und das Autodeck war halb leer. Ueberall roch es nach frischer Farbe und an
vielen Orten waren noch keine Informationstafeln angebracht, sodass man sich
leicht verirrte auf der riesigen Fähre. Beim Bezug der Koje wurde mir mulmig.
Drei kräftige, ungehobelte, ehemalige Matrosen von den Färöern sassen da,
tranken und einer rauchte trotz Verbot und Rauchmelder. Erst als ich ihm die
Sprinkleranlage zeigte, ging er in die WC-Kabine, um zu rauchen. Einer war noch
einigermassen nüchtern und erzählte mir von einer Kreuzfahrt via Island,
Shetland und Dänemark wieder zurück auf die Färöer. Land hatten sie
scheinbar keins gesehen, dafür umso mehr günstigen Alkohol. Schnell ging ich
wieder hinaus aufs Oberdeck, wo André, Marlene, Sven und ich ein
Willkommensbier in einer Art Wintergarten genehmigten. Nach der 2. Runde Bier
war nur noch lachen und ein Gemisch aus deutsch, englisch und dänisch zu
vernehmen.
Wir sahen wie Dänemark immer kleiner und kleiner wurde, hörten die
Dieselmotoren, welche uns den Weg durch die Nordsee pflügten bei untergehender
Sonne, welche immer röter wurde: So schön können Ferien sein!
Am Abend
tigerten André und ich durchs Schiff und trafen Valgerdur aus Island und
Susanna aus Dänemark. Ich beneidete André um seine Tanzkünste und beschloss,
auch einmal einen Tanzkurs zu besuchen. Nach einem feuchtfröhlichen Abend gings
um 2 Uhr Richtung Koje. Schwankte das Schiff oder ich ?
29. Juni | Fähre |
Um halb Acht Uhr morgens hatte ich das Gefühl, die ganze Kabine gehe auf und
ab. Zwar war ich noch müde, doch der Drang nach frischer Luft war stärker.
Zuerst wollte ich noch ein Dusche nehmen, aber ein Zimmergenosse hatte sich in
der Nacht wegen übermässigen Alkoholkonsum übergeben und das Leintuch in die
Duschkabine geschmissen, also liess ich es bleiben. Scheinbar hatten wir rauhen
Seegang, doch beim Anblick der Wellen von ein paar Metern war ich enttäuscht.
Ist es möglich, dass bei relativ ruhiger See ein solch grosses Schiff derart
schaukelt? Jetzt bemerkte ich, dass die Wellen von der Seite kamen und die
fähre deshalb unangenehm schlingerte. Als Binnenländer ist man sich halt nicht
daran gewöhnt. Nach der steifen Brise an Deck und dem Frühstück gings wieder
besser.
Nun hiess es die Zeit an Bord totzuschlagen. Anhand der mitgebrachten
Reiseliteratur wurde die endgültige Route und die Sehenswürdigkeiten
zusammengestellt. Dann trank ich einen Kaffee an der Bar und traf dort einen
ehemaligen Fischer von den Färöern. Er arbeite nun in Dänemark als
Offshore-Monteur, das heisst er musste in bis zu 100m Höhe draussen im Meer
Windkraftanlagen zusammenbauen. Das war wohl eher etwas für einen erfahrenen
Seemann als für mich! Am Nachmittag traf ich André, Marlene und Sven und wir
prosteten uns mit dem obligaten Bier zu. Am Abend wurde in der Kabine Fussball
geschaut, also schloss ich mich an. Später besuchten André und ich die Disco,
wo Livemusik geboten wurde. Es waren aber viel weniger Gäste als am Vorabend
da, vielleicht lag es an der frühen Tagwache am nächsten Tag. André war in
Ostberlin aufgewachsen und erzählte von der Zeit vor der Wende, als er russisch
lernen und Moskau besuchen musste.
30. Juni | Fähre |
Ausflug nach Gjogv |
Ankunft 06.00
100 km |
Gegen vier Uhr morgens dröhnten die Lautsprecher und ermahnten mit komischen
Lauten (isländisch oder färöisch?) zur Tagwache. Auf Deck kam mir klare,
eisige Luft entgegen und durch die Nebelschleier waren nur grasbewachsene Felsen
zu sehen, kein einziger Baum weit und breit. Auf was hatte ich mich da
eingelassen? Beim Einlaufen um halb sechs erwartete uns ein Sensation:
Strahlender Sonnenschein (zuvor hatte es hier drei Wochen geregnet)! Die kleine
Hauptstadt Torshavn mit ihren 15000 Einwohnern erstrahlte in leuchtenden roten,
blauen und gelben Farben. Da noch alles geschlossen war, fuhr ich gleich auf
der alten Landstrasse Nr.10 Richtung Sornfelli, wo auf 749 Metern Höhe eine Radarstation
der NATO steht. Beim fischreichen See Leynavatn war Offroad angesagt, denn nur
eine holprige Piste führte weiter zur Schlucht Storagjogv, welche die üppigste
Vegetion der Inseln haben soll. Doch plötzlich versperrte ein Weidezaun den Weg
und ich musste umkehren. Auch an andern Orten versperrten Zäune gewisse Pfade,
obwohl sie im Reiseführer empfohlen wurden: Scheinbar will man hier keinen
Tourismus.
Durch immer dichter werdenden Nebel gings zum Ende der Insel Streymoy,
nach Tjornvik. Man konnte knapp die Felsen des Giganten und seines Trollweibs
erkennen. Der Sage nach wollten sie die Insel nach Island schleppen, wurden aber
vom Tageslicht überrascht und versteinerten. Ueber eine lange Brücke kann man
zur Insel Eysturoy übersetzen. Ueber den 400m hohen Eidisskand in Richtung
Gjogv herrschte dichter Nebel, es war kalt und es setzte auch noch Nieselregen
ein. Beim Camping in Gjogv wärmte mich ein Kaffee auf und ich bestaunte den
Hafen, in dem die Schiffe auf Schlitten in die steile Schlucht hinabgelassen
werden. Der Zeltplatz war nur noch Sumpf, also entschloss ich mich zur Rückkehr
nach Torshavn, wo André bereits sein Zelt bei schönstem Wetter aufgestellt
hatte.
Am Nachmittag fuhr ich zu einem Supermarkt und war überrascht vom
riesigen Angebot. Jede Frucht und jedes Gemüse war zu haben, doch das zu einem
entsprechenden Preis, denn es muss ja alles importiert werden. Ich
entschied mich für Lachs, der hier einiges günstiger ist als bei uns. Zurück
beim Zelt schätzte ich die mitgebrachte Teflonpfanne und genoss den Fisch. Es
ging ein mässiger Wind und bei einer Temperatur von 10 Grad war die Sonne nur
im Windschatten angenehm. Der Zeltnachbar wünschte mir guten Appetit und
stellte sich als John aus Australien vor. Er war bereits ein halbes Jahr
unterwegs und wollte noch weitere 6 Monate anhängen, so das Geld denn wolle.
Ihn sah ich dann bis Reykjavik öfters wieder.
Am Abend durchstreiften André und ich Torshavn, doch
es war für eine Landeshauptstadt enttäuschend wenig los. Es hatte wenig
Geschäfte und Restaurants und die lagen weit verstreut auseinander: Es fehlt
ein eigentliches Zentrum. Endlich fanden wir ein Pub (Manhattan), aber tranken
angesichts des Preises von 50 Kronen (ca. 7 Euro) nur 1 Bier. Bei der Rückkehr
waren aus dem Nachbarszelt zwei Brüder aus Klaksvik aufgestanden um sich ins
Nachtleben zu stürzen. Beide waren Trinker und obdachlos. Bei der Heilsarmee
waren sie nach einer Schlägerei rausgeflogen, jetzt hausten sie in einem Zelt
der Zeugen Jehovas. Die Hälfte ihres Zeltes wurde von einem Flaschenberg
eingenommen. Die beiden waren keine Werbung für die Färöer, denn hier auf dem
Campingplatz gastierten sonst nur Touristen. Auch an andern Orten konnte man ein
Alkoholproblem auf den Färöern erkennen. In Anbetracht der eintönigen,
kargen, kalten und stürmischen Landschaft und den wenigen Arbeitsplätzen kein
Wunder. Vielfach herrschte Hochnebel und man fühlte sich wie ein Sandwich
eingeklemmt zwischen Wolkendeckel und Meer. Mir jedenfalls reichten drei Tage,
um einen Eindruck von den Färöern zu bekommen.
01. Juli | Torshavn | Ausflug nach Saksun | 70 km |
Trotz der Musik der Klaksvik-Brüder schlief ich gut. Sie hatten einen Kassettenrekorder mit Kirchenmusik bekommen und so wurden ringsum alle religiös berieselt. Beim Aufstehen fror ich, denn es hatte nur 8 Grad. Warm eingepackt gings dann zum Freilichtmuseum in Saksun. Der Weg war schlecht ausgeschildert und das Museum erst ab 14 Uhr offen. Die Smyrilline will zwar den Tourismus mit dem dreitägigen Zwangsaufenthalt auf den Färöern ankurbeln, doch muss noch einiges verbessert werden. Ich wagte noch einen Versuch auf den höchsten Berg im Norden, Slaettaratindur mit knapp 900m, zu gelangen. Der Nebel war noch dichter als am Tage zuvor, also kehrte ich um. Die Hauptstrassen auf den Färöern sind gut, es hat viele Kurven und wenig Verkehr, bis auf die Temperaturen ideal fürs Motorradfahren. Ausserorts gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h, aber ich wurde sogar mit 130 km/h noch überholt. Am Abend begleitete ich das Ehepaar Doris und Bernd aus Deutschland nach Torshavn hinein. Wir tranken etwas im Café Natura, das dank Livemusik bis auf den letzten Platz belegt war. Ein Bier kostete wieder exorbitante 50 Kronen, einziger Lichtblick waren die vielen schönen, einheimischen Frauen ringsum.
02. Juli | Fähre | Abfahrt 18.00 |
Am Morgen wars wieder kalt und windig, doch nach Dusche und Frühstück
war ich startklar. Ich bereitete mich für Island vor, tankte den Burgman aufl,
besorgte Proviant und packte alles zusammen. Bernd und Doris kamen voller Freude
mit ihrem Peugeot 206 angefahren. Ihr Wagen war gestern 50 km vor Torshavn
entfernt nicht mehr angesprungen. Eine Privatperson hatte sie in einem
halsbrecherischen Tempo kostenlos in die Hauptstadt abgeschleppt und die Garage
konnte den Defekt rechtzeitig beheben, so dass ihrer Weiterreise nach Island
nichts mehr im Wege stand. Marlene und Sven hatten in Toftir Bekannte besucht
und nun warteten wir wieder zu viert auf die Abfahrt der Fähre um 18 Uhr.
Zum
Glück waren diesmal die Zimmergenossen von der angenehmeren Sorte, es waren 2
Deutsche und ein Norweger. Bei der Ausfahrt aus Torshavn herrschte schönes,
windiges Wetter und es war eindrücklich, an den vielen Inseln vorbei zu
schippern. Kaum auf hoher See kam Nebel und Regen auf und es wurde eisig kalt.
Hoffentlich ist das Wetter in Island besser! André, Marlene, Sven und ich
tranken das letzte Bier zusammen in der Naust Lounge. Morgen werden sich unsere
Wege trennen...
03. Juli | Fähre
Seydisfjördur |
Ankunft 09.00
200 km |
Bei der Ankunft waren durch die Nebelfetzen hindurch gewaltige, begrünte,
steile Hänge auszumachen und es herrschte kaltes Nieselwetter.
Die Isländer
sind scheinbar sehr misstrauisch gegenüber Motorradfahrern. Bereits in der
Fähre liessen sie einen Drogenspürhund um die Maschinen wedeln. Beim Zoll
musste dann jeder zweite sein gesamtes Gepäck auslegen, dabei wurden alle
Lebensmittel (ausser Konserven) beschlagnahmt und weggeschmissen. Ich hatte
Glück, als man mich durchwinkte, denn ich hatte die doppelte Menge erlaubter
Zigaretten dabei und zudem viele teure Lebensmittel eingekauft. Der
Touristenkonvoi bewegte sich durch dichten Nebel Richtung Egilsstadir, wo auf
der Passhöhe ein elektronische Anzeigetafel stand: + 4 Grad! In Egilsstadir
verabschiedete sich André und fuhr gen Süden. Marlene, Sven und ich wollten an
diesem Tag bis zum Myvatn fahren.
Zuerst gabs noch üppige Vegetation mit
zahlreichen Bäumen, danach wurde es immer karger und gegen den Myvatn hin
erstreckte sich eine Mondlandschaft. Die Umgebung erinnerte mich an die
Vulkanlandschaft Lanzarotes, nur war dort die Temperatur nicht um 6 Grad
gewesen. Ich hatte eiskalte Hände und Mühe, den Fotoapparat bei einem Halt zu
bedienen. Mit so tiefen Temperaturen hatte ich nicht gerechnet und auch keine
entsprechenden Kleider eingepackt. Gemäss Reiseführer sollte es im Sommer 10
bis 15 Grad sein, doch die ersten drei Tage waren kaum über 6 Grad. Es ist
verdammt schwierig, bei 35 Grad zuhause Kleider für Island auszuwählen. Wie
vermisste ich jetzt die Griffschalen und die Griffheizung vom Burgman 400!
Dafür war der Federungskomfort mit den grösseren Rädern auf den holprigen
Naturpisten besser. Der Regen bildete auf dem Lehm eine Schicht wie Schmierseife
und dauernd musste man Schlaglöchern und entgegenkommenden Autos ausweichen. So
war eine Höchstgeschwindigkeit von 40km/h keine Seltenheit.
In Reykjahlid gabs
zwei Campingplätze, einen direkt am See und einen etwas erhöht ausserhalb des
Dorfes. An die Warnung Valgerdurs vor den Mücken denkend, wählte ich den
letzteren. Der Zeltplatz war schön gelegen mit Sicht auf den Myvatn, doch
leider gabs keinen geheizten Aufenthaltsraum. Durchgefroren stellte ich das Zelt
auf und verbrachte den Nachmittag im Schlafsack, denn ich hatte keine Lust mehr
in der Kälte und Nässe etwas zu unternehmen. Gegen Abend kriegte ich Besuch
von Marlene und Sven, welche am Nachmittag die heissen Quellen Krafla besucht
hatten. Ich war doch kein Warmduscher, also riss ich mich vom Schlafsack los,
besichtigte das Dorf, kaufte im Supermarkt ein und beantwortete in einem
Internetcafé meine Mails. In einem Restaurant traf ich ein junges Paar aus der
Schweiz (Tessin), welche hier ihre Flitterwochen verbrachten. Da ich zuwenig
italienisch und sie zuwenig deutsch sprachen, verständigten wir uns auf
englisch.
Auf dem Heimweg bemerkte ich die Kirche zwischen den beiden Lavakegeln.
1729 hatten sich alle Einwohner vor einem Vulkanausbruch in die Kirche
geflüchtet, welche dann verschont geblieben war.
04. Juli | Myvatn | 80 km |
Die ganze Nacht hatte es geregnet, doch am Morgen war es nur noch neblig. Ich
schätzte mein Exped-Zelt, welches mich auf der ganzen Reise zuverlässig vor
Wasser und Wind schützte. Um 7 Uhr gabs Tagwache mit einem kräftigen
Frühstück und viel wärmenden Schwarztee. Erwartungsvoll fuhr ich dann um 8
Uhr los, denn Marlene und Sven waren sehr beeindruckt von Krafla gewesen. Am
Oberkörper trug ich 6 Kleiderschichten und an den Beinen deren 4, so dass mir
wohlig warm war, ausser an den Händen. Krafla mit dem dunkelblau schimmerndem
Kratersee war sehr schön, nur schade, dass das warme Wasser heute für die
Energiegewinnung gebraucht wird, denn früher konnte man hier baden. Seit 1974
gibt es ein geothermisches Kraftwerk in der Gegend, das mit seinen 2 mal 30
MW-Turbinen die ganze Region um Akkureyri versorgt. Bis es aber soweit war,
mussten viele technische Schwierigkeiten gemeistert werden. So zum Beispiel
1984, als es beim Bohren eine verheerende Explosion gab. Heute führen
Bohrlöcher in eine Tiefe von 2200 m hinab und leiten das bis zu 350 Grad heisse Wasser
zu Tage.
Ständig hing ein penetranter Schwefelgeruch in der Luft. Ich war so
fasziniert von den blubbernden Lehmpfuhlen, den zischenden Quellen und den
grellen Farben, dass ich den ganzen Vormittag auf Krafla wanderte und
fotografierte. Am Nachmittag unternahm ich eine Fahrt um den Myvatn, wo mich die
Pseudokrater, die kräftigen Islandpferde und die vielen Vögel in den
Naturreservaten beeindruckten. Am Abend wollte ich Marlene und Sven besuchen,
doch sie waren noch nicht zurück von ihrem Ausflug nach Husavik. Auf meiner
weiteren Reise sah ich dann weder André, noch Marlene und Sven wieder, denn sie
alle waren nur 14 Tage auf Island. Ich mit meinen 3 Wochen Aufenthaltsdauer
konnte das Ganze gemächlicher angehen. Im Nachhinein muss ich sagen, dass 3
Wochen ideal sind, um Island ohne Stress zu erkunden. Als ich mich am Abend im
Restaurant aufwärmte, erschien das Tessinerpaar erneut und wir tauschten wieder
unsere
Erlebnisse und Eindrücke aus.
05. Juli | Myvatn | Husavik | 220 km |
Auf der guten Strasse nach Grimsstadir lagen locker 130 km/h statt der
erlaubten 90 drin. Die Gegend erschien mir wie ein isländisches Monument-Valley.
Danach folgte eine Schotter- und Lavapiste der übelsten Sorte, sodass nur noch
40 km/h vertretbar waren. Vor allem die Sandbänke waren gefährlich und nur
unter mithilfe der Füsse konnte ich Stürze verhindern. Genau in so einem
Moment überholte mich ganz knapp ein höhergelegter und mit Riesenpneus
versehener Allradler. Diese Monster werden mit der erlaubten
Maximalgeschwindigkeit gefahren, egal ob Teerstrasse oder Schotterpiste. Nach
dem Schreck musste ich erst mal verschnaufen und warten, bis sich der
aufgewirbelte Staub gelegt hatte.
Der Dettifoss liegt in einem tiefen Canyon mit
vielen Basaltsäulen und führt gewaltige Wassermassen, bis zu 200 Kubikmeter
pro Sekunde. Nach einem
halbstündigen Fussmarsch erreicht man den schönen Selfoss, wo Dutzende
Wasserfälle auf 300 m Breite verteilt sind.
Bis Asbyrgi war noch mühsame Naturstrasse,
doch dafür besserte sich das Wetter und mich beglückte das erste Mal auf
Island eitel Sonnenschein. Dennoch war es mit heftigem Wind ziemlich kalt.
Unterwegs war keine einzige Tankstelle zu sehen und so erreichte ich Husavik mit
nur noch 1 Liter Benzin im Tank. Der Campingplatz neben dem Fussballfeld wurde von
einem freundlichen Mann geführt, der mir nach dem Einkassieren von 750 Kronen
sagte, ich könne auch mehrere Nächte bleiben ohne erneut zu zahlen. Er hatte
auch noch 2 Tips auf Lager: Ein Bad im Hotpot auf dem Hügel und die Aussicht
vom Hausberg Husaviks. Die Suche nach dem Hotpot gab ich nach dem Angriff von
Seeschwalben auf und ging zum Hafen, wo ich den Sonnenuntergang um 22 Uhr auf
der Terrasse genoss. Obwohl es Samstagabend war, hatte es nur einige Touristen
im Hafenrestaurant und ein Amerikanerwagen fuhr den ganzen Abend die
Hauptstrasse rauf und runter. Im Dorf entdeckte ich eine Kneipe, welche voller
Einheimischer war. Im unteren Stock wurde gegessen und im oberen war ein
rustikaler Salon mit vielen Polstergruppen und Holztischen eingerichtet. Ich
liess mich auf einem freien Polstermöbel nieder und orderte ein Bier auf englisch.
Eine ältere Frau starrte mich feindselig an und zischte: Go home! Jetzt waren
auch alle anderen auf mich aufmerksam geworden und mich beschlich der leise
Verdacht, bald gelyncht zu werden. So leerte ich das Bier und rief beim gehen:
Nice people in Iceland!
Auf dem Zeltplatz hatte ich Nachbarn bekommen, John aus Australien und ein Vater
mit seiner 11-jährigen Tochter aus Deutschland. Sie waren mit dem Fahrrad unterwegs
und der Vater hatte 50 km pro Tag eingeplant. Die Tochter war hoffnungslos
überfordert und dementsprechend gelaunt.
06. Juli | Husavik | 30 km |
Am Morgen fuhr ich bei schönstem Wetter los, um auf den Hausberg Husaviks zu
gelangen (Priklakkur 730 m). Doch die Allradpiste wurde steiler und steiler, und
der Schotter loser und loser. Bevor das Hinterrad ganz durchdrehte und die Temperatur
im roten Bereich war, stellte ich den Burgman ab und wanderte das letzte
Stück hoch. Eine atemberaubende Aussicht auf die Bucht Skjlfandi und die
gegenüberliegenden Berge (Keambur 1210 m) belohnte den Aufstieg.
Wieder zurück
auf dem Zeltplatz machte ich mich erneut auf die Suche des Hotpots und fand den
Gratispool für jederman, inklusive Umkleidekabine, direkt hinter einer
Sendeantenne. Es war ein besonderes Gefühl, ins wunderbar warme Wasser zu
gleiten und dabei die Aussicht aufs Meer zu geniessen. Zuvor hatte eine Mutter
mit ihren beiden Töchtern im Chromstahlbecken für etwa 12 Personen gebadet,
doch als ich erschien, waren sie blitzartig verschwunden. Dass die Insulaner
eigenartig sind, konnte ich ja schon am Vorabend erfahren!
Gegen 20 Uhr
schlenderte ich zum Hafen, denn ich wollte an einer Walbeobachtungstour
teilnehmen. Es war aber so starker Wind aufgekommen, dass an ein Auslaufen nicht
zu denken war. Total enttäuscht war ich deswegen nicht, denn ein frustrierter
Teilnehmer vom Campingplatz hatte auf der Tour nur von weitem eine Schwanzflosse
gesehen und dafür über 60 Franken bezahlt. Auf diese Art unterstützte ich die
"freundlichen" Husaviker nicht auch noch finanziell...
07. Juli | Husavik | Akkureyri | 120 km |
Auf guten Strassen gings Richtung Akkureyri. Ich bog zu früh auf der Nr.85
ab, sodass ich für die nächste Sehenswürdigkeit ein Stück zurück fahren
musste. Schon von weitem war die Gischtwolke des Godafoss zu sehen. Laut
Kristni-Sage warf Häuptling Porgeir, im Jahr 1000 zum Christentum bekehrt, alle
Götzenbilder in den Fluss, darum der Name "Götterwasserfall". Vom
Parkplatz aus, wo 99% aller Besucher ihre Fotos knipsten, war der 10 Meter hohe Fall
nur von der Seite zu sehen. Also fuhr ich zur nächsten Brücke und hatte nach
15 Minuten Fussmarsch die Wassermassen in ihrer ganzen Schönheit vor mir. Die
kleine Wanderung war eine gute Gelegenheit, sich vom Rollerfahren bei nur 8 Grad
aufzuwärmen.
Später nahm ich in der Ebene Anlauf und sauste mit 120 km/h dem
kleinen Pass vor Akkureyri entgegen. Doch plötzlich stoppten jäh drei Schafe
auf der Strasse meine Fahrt und nur durch Hupen liessen sie sich vertreiben. Ein
Damm führte auf die andere Seite des Tals, aber es wehte ein so starker Wind,
dass ich Mühe hatte, darauf zu bleiben.
In Reisebüchern wird Akkureyri als
"Perle des Nordens" betitelt, was ich nun als nicht übertrieben
bestätigen konnte. Ueberall gab es Bäume, liebevoll gepflegte Gärten mit
Blumen, das Klima war mild und das obwohl nur 100 km vom Polarkreis entfernt. John hatte
es sich bereits auf dem Campingplatz gemütlich gemacht. Infolge des hohen
Preises von 4600 Kronen für die Ueberfahrt nach Grimsey hatte er darauf
verzichtet. Am Abend, bei der Besichtigung des Zentrums, störte mich die lange
Autokolonne, welche dauernd im Kreis um die Innenstadt fuhr. Einzelne Wagen
konnte man Dutzende von Malen zählen. Scheinbar ist das ein beliebtes
Freizeitvergnügen in Island, dessen Sinn mir als Touristen ziemlich fragwürdig
erschien.
08. Juli | Akkureyri | 30 km |
Nach einer Fahrt auf die andere Seite des Tals hatte ich einen guten
Ueberblick über Akkureyri. Die Stadt mit ihren 15000 Einwohnern war im 9. Jahrhundert von Helgi dem Mageren aus Irland gegründet worden. Die milde Lage
verdankt die zweitgrösste Stadt Islands den Bergen mit Höhen bis 1500 m, welche
Wind und Niederschläge fernhalten.
In der ganzen Stadt waren Jugendliche beim
Putzen und Pflegen der Anlagen zu sehen. Sie verdienten sich so mit 500 Kronen
pro Stunde ein Feriengeld.
Nirgends in Island fand ich eine Metzgerei, also
kaufte ich in einem Supermarkt Lammkoteletts. Als Einzelperson aber ist es
jedoch schwierig, die passende Portion zu bekommen. Es finden sich ganze
Schweinehälften in den Kühltruhen und Würste sind nur im Achterpack zu
bekommen. Wie der Lachs auf den Färöern,
ist Schaffleisch auf Island vergleichsweise günstig, da es ein einheimisches
Produkt ist. Mit Erstaunen sah ich, dass von exotischen Früchten bis zu allen
Sorten Gemüsen auch hier oben im Norden alles zu haben war, aber zu welchen Preisen!
Auf dem Zeltplatz war es angenehm mit 14 Grad, nur der ständige Wind störte.
Zwei Frauen aus Belgien schienen enttäuscht von Island: Kaltes Wetter, ständig
Regen und dann noch die überrissenen Preise. Für dieses Geld werden sie
nächstes Jahr in die Karibik fliegen. Ein nettes Ehepaar aus Island war mir
aufgefallen, denn der kleine Sohn bewunderte ständig meinen Roller. Mit Freude
machte er ein Probesitzen, konnte aber weder Fussrasten noch Lenker erreichen.
Die Familie wohnte in Reykjavik und waren in der gleichen Richtung um Island
unterwegs wie ich.
Am Abend stand ein Besuch des legendären Café "Akkureyri"
an. Zwei junge Männer und eine Frau aus Reykjavik luden mich zum Kartenspiel
ein. Es waren Musiker einer Band, welche am kommenden Samstag in Holmavik ihren
Auftritt hatten. Sie ermunterten mich, am Konzert dabei dazu ein, doch ich
wollte am Samstag bereits Reykjavik erreichen. Später kamen noch 2 junge Frauen
aus Akkureyri dazu und wir spielten zu sechst. Die Leute aus Akkureyri nahmen
diejenigen von Reykjavik hoch, weil sie gewisse Wörter anders aussprachen. Für mich klang alles ausser Englisch sonderbar. Eine der beiden Frauen aus
Akkureyri entsprach dem, was man sich klischeehaft unter einer Isländerin
vorstellt: Lange blonde Haare, blaue Augen, schlank und ein strahlendes Lachen.
Sie trug mit ihren 21 Jahren bereits einen Ehering, doch sie erklärte, das sei
nur um mögliche Verehrer abzuschrecken. Später sah ich kaum mehr
Isländerinnen mit ihrem Aussehen, denn die meisten waren ein Opfer der Kalorien
geworden. Wir kamen auch auf Alkohol zu sprechen und sie meinte, auf Island
könne niemand ein Glas Wein geniessen. Hier trinke man, um betrunken zu werden,
sagte es und bestellte einen Kaffee mit Schnaps. Ich begleitete die Reykjaviker
noch zu ihrem Zelt und suchte dann meine Stoffbehausung auf. Es war bis jetzt
der schönste Abend auf Island gewesen...
09. Juli | Akkureyri | Blönduos | 200 km |
Um 10 Uhr morgens fuhr ich los. Zuvor hatte ich mich noch, wie verabredet, von
den Musikern verabschieden wollen, doch als ich ihr Schnarchen hörte,
hinterliess ich ihnen einen Zettel mit Grüssen. Dann gings in rasanter Fahrt
zum Pass Oexnadalsheidi hinauf. Plötzlich flog ein Vogel von rechts vor den
Burgman, ein dumpfer Schlag und er verschwand im Kühler. Ueberall quollen
Federn aus der Verschalung heraus. Bei der nächsten Gelegenheit kroch ich unter den
Roller, konnte aber nichts vom armen Kerl entdecken. Bis Sandarkrokur gab es
gute Strassen, doch danach folgten 100 km endlose Naturstrasse um die Halbinsel
Skagi. Auf der linken Seite entdeckte ich eine Herde von etwa einem Dutzend
Islandpferden. Plötzlich begannen sie zu galoppieren und überquerten wenige
Meter vor mir die Strasse. Zum Glück fuhr ich langsam und konnte rechtzeitig
anhalten. Die meisten Pferde beruhigten sich, doch eines rannte in vollem Tempo in einen
Maschendrahtzaun hinein. Ich wartete, bis es sich wieder selbst befreien konnte
und fuhr dann mit einem Schrecken im Schritttempo weiter. An Autos sind die
Tiere gewöhnt, doch Motorradfahrer scheinen hier sehr selten zu sein. Je näher
die Nordspitze näherrückte, desto stärker und böiger wurde der Wind. Einmal
wurde ich fast von der Strasse geweht, so dass ich die Tasche vom Topcase
herunternahm, um nicht noch mehr Angriffsfläche zu haben. Auf der rechten Seite
ging es 20 Meter die Klippen hinab ins Meer und auf der linken war eine Felswand. Der
Gegenverkehr war mir in dieser Situation Wurst, so fuhr ich auf der schmalen
Strasse ganz links.
Beim Fotografieren des Leuchtturms kam ich nur wenige Meter
weit, schön fühlte ich mich wieder wie in einem Film von Hitchcock. Schnell
eilte ich zum Roller zurück und marschierte dann mit Helm zum Leuchtturm: So
konnten mir die Vögel nichts mehr anhaben. In Skagaströnd stiess ich ein
Halleluja aus, als ich Asphalt erblickte. So konnte sich mein schmerzendes
Hinterteil erholen. Der Campingplatz in Blöndüos lag idyllisch am Fluss Blanda
und der starke Wind war hinter eine Hecke erträglich. In der
Uebernachtungsgebühr war das nahegelegene Schwimmbad inbegriffen. Dieses
Angebot konnte man nicht ungenutzt lassen. Danach waren kaum mehr Leute
unterwegs, nur einige Autos fuhren auf und ab und auf und ab, doch das kennt man
ja schon...
10. Juli | Blönduos | Olafsvik | 300 km |
Eigentlich hatte ich die Nase gestrichen voll von Naturpisten, doch beim
Lesen des Reiseführers besann ich mich anders, denn ich hatte noch nie Robben
in freier Natur gesehen. Also begann die Fahrt Richtung Hindsvik, an die
Nordspitze der Halbinsel Vatnsnes. Anfangs 20. Jahrhunderts bestanden Pläne,
hier einen Hafen und ein Dorf zu errichten, doch ist das Klima dort derart
unwirtlich, dass inzwischen alle Häuser verlassen sind. Eine ganze
Robbenkolonie, geschützt vor Menschen, war in einiger Entfernung zu sehen. Der
starke, eisige Wind begann in meinen Augen zu schmerzen, also gings weiter.
Unterwegs hatte man die Naturstrasse "saniert", das heisst man hatte
losen Schotter daraufgekippt. Es ist Gepflogenheit in Island, das Festfahren des
losen Untergrundes den Autos zu überlassen. Unter diesen Umständen lag
nur ein Topspeed von 25 km/h drin und die Füsse mussten auch immer zum
Abstützen ausgefahren sein. Nach 80 km, kurz vor Hvammstangi, kam der ersehnte
Teerbelag. Fast allein unterwegs gings über die Anhöhe Laxardalsheide zum
Fjord Hvammsfjördur. Das Wetter war zwar gut, doch der extreme Wind war doch
sehr anstrengend und vor allem die gefährlichen Böen begannen zu nerven. Hier
hatte es viele einspurige Brücken, bei denen man vorsichtig sein musste, denn
kein Schild regelte den Vortritt. Normalerweise zeigt der Kleinere dem
Grösseren per Lichthupe an, dass er wartet.
In Richtung Snaefellness war eine
mystische Stimmung: Hinter mir blauer Himmel, vor mir ein schwarze Wand und die
Lavafelder glühten in einem violetten Licht. Mir kam spontan das Lied
"Highway to Hell" in den Sinn. Ueberall hingen weisse Nebelfetzen an
den steilen Hängen, deren Wiesen eine giftgrüne Farbe trugen. Eigentlich
wollte ich in Grundarfjördur übernachten, denn nach 300 km anstrengendster
Fahrt hatte ich genug für heute. Doch bei dem extremen Wind war nicht an Zelten
zu denken, so fuhr ich weiter nach Olafsvik. Dort war der Campingplatz
geschützt hinter einem Felsen angelegt. Zusätzlich stellte ich meinen Roller
als Windschutz vor das Zelt, damit es sich nicht selbständig machen konnte.
Auch auf diesem Campingplatz war kein Mensch zu sehen, man konnte den Standplatz
frei wählen und kostenlos kochen und duschen. Meistens kamen die Platzbetreiber
abends um die Miete einzutreiben, manchmal aber auch gar nicht. Trotzdem habe
ich nie Abfall, Sprayereien oder Sachbeschädigungen und auch nie unbefugte
Personen gesehen. Glücklich das Land, in dem ein solches System funktioniert!
Die Preise für die Uebernachtung bewegten sich im Rahmen von 500-750 Kronen,
genau im gleichen Spektrum wie für ein grosses Bier. Mit Zelten und selber kochen kommt
man auch im teuren Island mit 30 Euro pro Tag durch. Am meisten schätzte ich
Plätze mit geheizter Küche, doch dies wurde bisher nur in Torshavn und Husavik geboten. Mit
Heisshunger machte ich mich über eine Fertigpackung "Spaghetti
Bolognese" her. Auf der ganzen Islandreise mied ich die teuren Restaurants
und kochte selber. Um trotz der einseitigen Fertignahrung ausgewogen zu essen,
achtete ich darauf, mindestens einen Apfel und einmal frischen Salat pro Tag zu
mir zu nehmen.
Am Abend nahm ich den Weg nach Olafsvik, das 1000 Einwohner hat
und bereits seit dem 17. Jhdt. einen wichtigen Hafen besitzt, unter die Füsse.
Im Zentrum kehrte ich in ein Restaurant ein, um mich aufzuwärmen. Dort traf ich die Familie aus Reykjavik erneut: Sie hatten ein
Hotelzimmer dem windigen Zeltplatz vorgezogen.
11. Juli | Olafsvik | Bogarnes | 150 km |
Nach einem tiefen Schlaf wachte ich, mit leichten Rückenschmerzen von den
vielen gestrigen Schlaglöchern, auf. Obwohl es bereits 8 Uhr war, konnte ich nirgends
einen Menschen sehen. Es herrschte immmer noch heftiger Wind und das Thermometer
am Burgman zeigte inzwischen gewohnte 6 Grad an. Bei der Durchfahrt durch Olafsvik wollte
ich tanken, doch es war noch geschlossen. Jetzt wurde mir klar, dass ich
vergessen hatte, die Uhr 2 Stunden auf die Islandzeit vorzustellen.
Die
Lavalandschaft rund um den Snaefellsjökull liess mich die schlechte
Naturstrasse und die Kälte vergessen. Von Arnarstapi bis Budir konnte man die
schöne Strandlandschaft bewundern. Danach folgte eine endlose Ebene mit
erstarrten Lavaströmen, einigen Büschen und einem extremen Seitenwind.
Zeitweise war eine Schräglage von 45 Grad angesagt. Unterwegs sah ich einen
bemitleidenswerten Radfahrer, der sein Fahrzeug entnervt in den Strassengraben
schmiss, weil er nicht mehr vorwärts kam. Wehe dem, der bei solchen
Verhältnissen 50-100 km pro Tag geplant hat! In Richtung Hauptstadt wurde der
Verkehr immer dichter. Auf dem riesigen Zeltplatz in Bogarnes machte ich es mir
für die nächste Nacht gemütlich. Der Platz ist ideal neben Tankstelle und
Supermarkt gelegen, dafür ist es aber nicht ganz ruhig. Am Abend dann wieder
das vertraute Bild: Die Aelteren fuhren mit den Autos auf und ab und die
Jüngeren hingen herum. Beim Besuch einer Kneipe war ich mit dem Wirt allein. Er
war früher Lastwagenfahrer gewesen und hatte die ganze Insel beliefert, im
Sommer via Myvatn und im Winter via Höfn. Er hatte vor 15 Jahren ein Philipina
geheiratet, welche immer noch von vielen nicht akzeptiert werde. Ich erzählte
ihm von meinen Erlebnissen in Husavik, worauf er meinte, es sei kein Wunder,
dass die fremdenfeindlichen Isländer immer weniger Touristen hätten. Beim
Gehen tat mir sein Abschiedsgruss gut: Thank you for coming!
12. Juli | Bogarnes | Reykjavik | 100 km |
Jedem Besucher Islands kann ich die Fahrt um den Hvalfjördur empfehlen,
statt durch das mautpflichtige Tunnel zu fahren. Eine gut ausgebaute, wenig
befahrene Strasse
lässt Geschwindigkeiten bis 150 km/h zu und man kann so noch einen Abstecher zum
höchsten Wasserfall Islands "Glymur" machen. Am hintersten Ende des
Fjords zweigt eine Strasse zu einem Parkplatz ab, von wo aus man nach 45 Minuten
Fussmarsch den Wasserfall erreicht. Dabei muss man via Baumstamm über einen
Wildbach balancieren, durch ein Flussbett klettern und schwindelfrei sein.
Ein
schöner, aber verlassener Hof, inspirierte mich zu einem Gedankenspiel: Man
könnte doch eine Strasse und eine Seilbahn zum Glymur bauen und dann von der
Touristenattraktion auf dem Hof leben...
Gewaltiger konnte der Unterschied vom
Norden mit den einspurigen Naturstrassen und der vierspurigen Autostrasse in
Richtung Reykjavik nicht sein. Die Hauptstadt Islands ist eine Grossstadt im
Kleinformat. mit zirka 150'000 Einwohnern, was der Hälfte Islands entspricht.
Ein riesiges Angebot von Kinos, Restaurants, Bars und Discos lud an diesem
Samstagabend zum Ausgehen ein. Das Durchschnittsalter war sehr tief und die
Stimmung nervös, denn in jedem Lokal war ein ständiges Kommen und Gehen. Für
viele galt das Motto: Sehen und Gesehen werden, worauf sie dann ständig auf der
Suche nach dem trendigsten Ort unterwegs waren.
Morgens um 3 Uhr waren die
Strassen noch überfüllt mit Menschen und Autos und es herrschte eine
ausgelassene Stimmung. Zwar lagen überall Scherben von zerschlagenen Gläsern,
doch nirgends ein Anzeichen von Aggressivität oder gar einer Schlägerei. Vor
jedem Lokal standen 2-3 Türsteher und überall waren Videokameras montiert,
aber von Polizei war weit und breit nichts zu sehen. Um diese Zeit sammelten
einige zerlumpte Leute leere Pfandflaschen ein. Vom Zeltplatz ins Zentrum war
ich für 240 Kronen mit der Buslinie 5 gekommen, den Heimweg bewältigte ich in
einem fast einstündigen Fussmarsch gratis.
13. Juli | Reykjavik | 40 km |
Kaum aufgestanden, noch müde vom kurzen Schlaf, stand John an meinem Zelt.
Er durchlöcherte mich mit Fragen zu meiner Ausrüstung im Allgemeinen und
meinem Foto-Equipment im Besonderen. Es regnete den ganzen Tag und die
Geschäfte waren am Sonntag geschlossen: Ihm schien es langweilig zu sein. Vor
der Stadtbesichtigung machte ich einen Abstecher zur Perlan. Eigentlich ist es
nur ein grosser Warmwasserspeicher auf dem 60 Meter hohen Hügel, doch drumherum
wurde ein Hightech-Gebäude gebaut, sodass die Perlan Vielzweck-Restaurant,
Konferenz- und Freizeitkomplex geworden ist. Mit der geothermalen Energie von
über 400 MW kann die ganze Gegend mit Fernwärme versorgt werden, sogar der
Parkplatz ist geheizt. Darum sieht man in der Rauchbucht (=Reykjavik) auch keine
Schornsteine auf den Dächern der Häuser. Beim Geniessen des Ausblicks von der
Terrasse der Perlan begann es wie aus Kübeln zu giessen, darum fuhr ich zum
Zelt zurück. Endlich Gelegenheit, die Daheimgebliebenen mit Karten zu
beglücken. Es windete nicht und es war mit 12 Grad relativ mild; schon war ich
nach dem bisher erlebten zufrieden.
Am Abend gings wieder mit dem Bus ins
Zentrum. Zuerst las ich meine Mails in einem Internetcafé und schaute mir den
Wetterbericht an, der vielversprechend war. Dann gings in den irischen Pub
"Dubliner", wo alle Anwesenden etwa in meinem Alter waren. Es
herrschte kein Kommen und Gehen wie bei den Teenagern gestern, sondern eine
aufgestellte Stimmung. Ein Pferdeschmied mit Schwarzeneggerfigur aus Dänemark,
sechs Schwedinnen aus Uppsala, zwei Frauen aus Reykjavik und etliche Briten aus
Sheffield tranken, plauderten, lachten und tanzten bei Livemusik bis 2 Uhr
früh. Dann gingen die Lichter an und der Türsteher warf uns freundlich, aber
bestimmt, hinaus. Dies war der schönste Abend seit Akkureyri gewesen...
14. Juli | Reykjavik | 100 km |
Am Vormittag fuhr ich ins riesige Shoppingcenter "Kringlan", um
meine erschöpften Vorräte aufzufüllen. Hier gab es alles, vom riesigen
Supermarkt über Banken bis zu einem "Hard Rock Café". Dann gings
weiter bis zur Westspitze der Halbinsel Reykjanes, wo eine touristische
Attraktion auf mich wartete: Die blaue Lagune. Es war ein besonderes Erlebnis,
mitten in dieser Lavalandschaft im heissen Wasser zu dümpeln, sich das Gesicht
mit Kieselerde einzuschmieren und die Schwefelschwaden einzuatmen. Ganze
Busladungen von Touristen wurden hier duchgeschleust und vor allem die Aelteren
hatte Mühe mit dem elektronischen Armband, das als Eintrittsbillet und
Kastenschlüssel fungierte.
Auf dem Heimweg holte ich noch die Fotos ab, welche ich in Reykjavik entwickeln
liess. Der Preis dafür ist zwar isländisch, doch die Neugier war stärker.
Angesichts der 5 Filme gab mir der Mann im Kodakshop einen schönen
Mengenrabatt, sodass die Sache zahlbar wurde. Draussen wartete bereits jemand
auf mich, ständig um den Burgman herumlaufend. Er stellte sich als einziger
Burgman-Besitzer Islands vor: Ein AN400. Er fahre damit nur im Grossraum der
Hauptstadt herum und dafür sei er ideal. Als ich ihm erklärte, dass man damit
auch zum Nordkap oder nach Rumänien fahren kann, war er zunächst sprachlos.
Später nach unendlich vielen Fragen wünschte er mir endlich eine gute
Weiterfahrt.
Am Abend spazierte ich zum Hardrockcafé, doch es hatte bereits geschlossen. An der Bar nebenan sass ein einziger Gast, der sich als
ehemaliger Fischer aus Island vorstellte. Dann sei er Banker gewesen und jetzt
programmiere er Software für Mobiltelefone. Doch der Seemannsberuf hatte ihm am
besten gefallen, er beschrieb mir den exakten Verlauf der Verbotszone für
ausländische Fischer. Er habe manchmal Streit mit japanischen Fischern gehabt,
die vor Grönland Thunfisch klauten und sei nur einmal in einem mörderischen
Sturm seekrank geworden. Nach einem interessanten Gespräch und dem letzten Bier
verabschiedeten wir uns.
15. Juli | Reykjavik | 40 km |
Heute wollte ich den Besuch des Zentrums nachholen, also gings mit einem
Schindler-Lift auf die Kirchturmsspitze, um mir eine Ueberblick über Reykjavik
zu verschaffen. Im strahlenden Sonnenschein leuchteten die bunten Häuser rot,
gelb, blau und grün um die Wette. Es begann ein interessantes Gespräch mit
einer deutschen Hostess von einem Kreuzfahrtschiff, doch weil sie nur 2 Stunden
Landaufenthalt hatte, mussten wir uns schon kurz darauf am Tjörninsee verabschieden.
Dann bewunderte ich die ausgestellten Fotografien vor dem Parlamentsgebäude und
wanderte nach Südamerika, dies natürlich nur auf der riesigen, begehbaren
Landkarte. Da der Burgman seine Farbe von blau in braun gewechselt hatte, suchte
ich eine Tankstelle auf. In Island kann man stets sein Fahrzeug gratis waschen
(meist mit warmen Wasser) und die Luft kontrollieren. Aber leider konnte ich das
Ventil bei dem knappen Platz an der Felge nicht ansetzen und es war auch
nirgends ein Manometer vorhanden, um den Druck abzulesen (dies Isländer haben
stets ein privates dabei): Also musste ich damit bis Dänemark warten. Auf der
nächsten Reise werde ich ein Uebergangsventil und einen Druckmesser dabei
haben!
John hatte riesig viele Vorräte eingekauft und alles Unnötige in ein
Paket verschnürt. Er wollte alleine in 14 Tagen von Landmannalaugar nach
Egilstadir am Rande des Gletschers vorbei wandern: Ein verrückter Kerl. Er habe schon
bei minus 43 Grad in Alaska im Zelt übernachtet und wolle am liebsten quer
durch den Vatnajökull. Zum Abschied gab ich ihm noch meine Mailadresse, doch
habe ich bis jetzt nichts mehr von ihm gehört, hoffentlich hat er sie nur
verlegt...
16. Juli | Reykjavik | Geysir | 200 km |
Wie üblich im Grossraum Reykjavik war dichter Verkehr bis Mosfellsbaer,
danach war ich praktisch alleine unterwegs. Dabei sah ich Leute mit
Moskitonetzen um den Kopf und grinste: Die sehen ja aus wie Imker. Beim Wandern
am Pingvellir wünschte ich mir selber einen solchen Hut. Wenn man ein bisschen
geschwitzt hatte, war man an windstillen Orten übersät von kleinen Fliegen.
Diese stachen zwar nicht, waren aber extrem aufsässig und flogen ungebremst in
Nase, Augen und Ohren. Trotzdem genoss ich den Anblick der Verschiebung von
amerikanischer und europäischer Kontintalplatte: Ueberall hatten sich tiefe
Gräben aufgetan. Am geheimnisvollsten waren die 20 Meter tiefen, mit
kristallklarem Wasser gefüllten Spalten. Ich warf eine Münze hinein, konnte
sie aber wegen fehlendem Licht nicht bis auf den Grund verfolgen. Also hatte ich
nach isländischem Aberglauben keinen Wunsch frei.
Dann gings in zügiger Fahrt
auf guten Strassen zum Gullfoss. Mir gefiel dieser imposante, über zwei Treppen
donnernde Wasserfall. Was mir weniger gefiel waren die busweise Touristen. Es
standen zwei Enduros auf dem Parkplatz. Ich staunte nicht schlecht beim
Betrachten der Kennzeichen: Sie waren auch aus dem Kanton Zürich wie ich. Als die
beiden Fahrer angeschlendert kamen, war ich froh, wieder einmal in heimischer
Zunge reden zu können. Sie rieten mir wegen der sehr schlechten Strasse und
einer Furt davon ab, nach Hveravellir zu fahren. Dies hatte ich auch nicht
unbedingt vor, drehte um und fuhr zurück zum Geysir. Wir sahen uns dann wieder
auf der Fähre. Nach Installation des Zeltes auf dem Campingplatz
"Geysir" besuchte ich am Abend, nach dem Abzug sämtlicher Touristen,
die heissen Quellen. Wenn man zum ersten Mal eine zischende Fontäne aus einem
Erdloch 20 Meter hoch in den Himmel schiessen sieht, erschrickt man nicht
schlecht. Neben dem aktiven Strokkur lag der inaktive Geysir mit seinem riesigen
Durchmesser. Zu meinem Erstaunen war kein einziger See abgesperrt, man hätte
problemlos in das siedende Wasser fallen können. Ueberall blubberte und dampfte
es, sodass es mir zynisch vorkam: Auf dem Zeltplatz nebenan hatte es keine
Duschen und kein warmes Wasser!
17. Juli | Geysir | Vik | 150 km |
Rasante Fahrt bei milden Temperaturen von 16 Grad und schönem Wetter via
Selfoss zum Seljalandsfoss. Ohne gross nass zu werden kann man diesen Wasserfall
"hintergehen". Versteckt hinter einem Campingplatz ist der mystische
Gljufurarfoss zu finden, der durch einen Felsspalt mit eingeklemmten Felsbrocken
zu sehen ist. Nach kurzer Klettertour konnte ich in den moosbewachsenen, 20
Meter tiefen Schlund gucken. Dem nächsten Wasserfall, dem imposanten Skogafoss,
konnte man sich nicht nähern, ohne nass zu werden. Hier waren hordenweise
Touristen anzutreffen und ich dachte an den einsamen Glymur.
Auf dem Zeltplatz
in Vik platzierte sich ein älterer Herr mit Fahrrad, der mir schon am Skogafoss
aufgefallen war, neben mir. Er stellte sich als Ian aus Schottland vor und
wollte mit seinen 70 Jahren die Insel in 4 Wochen umrunden. Ein hochgestecktes
Ziel, bei Wind und Wetter und schwerem Gepäck im Schnitt 100 km pro Tag zu radeln! Er sei
schon am Nordkap und in der Sahara gewesen, sogar in der Antarktis, dort
allerdings ohne Fahrrad. Beim Empfang bezahlte ich 100 Kronen für eine Dusche und
stellte mich in Erwartung von herrlich warmen Wasser unter die Brause. Als mich
ein eiskalter Strahl traf, ging ich reklamieren, aber man dachte nicht
an eine Rückerstattung: Abzockerei!
Dafür war die Abendwanderung am
pechschwarzen Strand und das sensationelle Licht der untergehenden Sonne ein
Aufsteller.
18. Juli | Vik | Skaftafjell | 150 km |
Der Schotte packte um 7 Uhr zusammen, sodass mich die klappernden Zeltstangen
weckten. Nach ausgiebigem Frühstück wie immer führte mich die gute Strasse
durch eine endlose Ebene mit entweder moosbewachsenen Lavafeldern oder
Geröllhalden der Gletscherzungen. Einmal waren es 30 km am Stück ohne eine
einzige Kurve. Am Tagesziel angelangt, bot sich vom Zeltplatz Skaftafell aus
eine atemberaubende Aussicht auf den höchsten Berg Islands, den 2119 m hohen
Hvannadalskrukur. Der gigantische Campingplatz war bestens ausgestattet mit
Restaurant, (teurem) Supermarkt und (heissen) Duschen.
Thomas und Karine aus
Deutschland, mit einer BMW-Enduro unterwegs, luden mich an ihren Grill ein. Ich
genoss das schmackhafte Fleisch, die knusprigen Kartoffelchips und die nette
Gesellschaft. Ich erzählte von meinen morgigen Wanderplänen, doch Thomas
winkte wegen Knieschmerzen ab. Bis um Mitternacht trafen Isländer mit ihren
Jeeps, Zeltklappanhänger ziehend, ein und errichteten ihr Barbecue. Auch Ian
hatte die 150 km bis hier geschafft, doch er schnarchte schon längst. Noch
lange waren Stimmen, Musik und Kindergeschrei zu hören und Grillduft in der
Luft: Typisches Sommerweekend eben...
19. Juli | Skaftafjell | Wandern |
Die Isländer festeten bis 2 Uhr nachts, doch um 4 war immer noch Gegröle zu
hören, diesmal von englischen und deutschen Stimmen. Nach dem gestrigen
Sommertag mit bis zu 22 Grad war es morgens mit 6 Grad ziemlich frisch. Dichter
Nebel hüllte den Zeltplatz ein, so dass ich befürchtete, die Wanderung auf den
Kristinartindar sei geplatzt. Beim Früstücken lüftete sich der Nebel wie ein
Vorhang und gab den Blick auf einen wolkenlosen Himmel und den besonnten
Gletscherberg frei.
Ich packte 1.5 Liter Wasser, Brot und Käse in den
Fotorucksack von Tamrac. Dieser Rucksack, extra für diese Reise für teure 250
Franken gekauft, hatte sich sehr bewährt. Die gesamte Fotoausrüstung ist im
unteren Staufach gut geschützt vor Schlägen und Regen und oben hat es noch
Platz für Proviant und Karten. Zusätzlich sind aussen noch Staufächer und
Riemen für Stativ oder in meinem Fall Getränke angebracht. Die Tragriemen sind
gut gepolstert und an der Brust koppelbar, sodass der Rucksack nicht verrutscht
und weder beim Rollerfahren noch beim Wandern stört.
Kurz nach 6 Uhr gings
zügigen Schrittes bergan. Zuerst eine halbe Stunde durch einen Dschungel von
kleinen Bäumen und Sträuchern, dann wuchsen Stauden und weiter oben
gabs nur noch Gräser und Moos. Nach den negativen Erfahrungen mit den
Seeschwalben hatte ich Angst, von den Krähen oder Bergdohlen angegriffen zu
werden, doch diese schienen an Wanderer gewöhnt zu sein und liessen mich in
Ruhe. Beim Aufstieg war kein Mensch zu sehen und es herrschte fast eine
feierliche Stille. Plötzlich rannte ein etwa dackelgrosses Tier,
braun-weiss-braun gestreift, davon: Wahrscheinlich ein scheuer Polarfuchs. Der
Schlussaufstieg war mühsam und nur auf allen Vieren zu Schaffen. Immer gings
auf dem steilen, losen Schotter 2 Meter vor und wieder einen halben zurück.
Doch endlich auf dem Gipfel des 1126 Meter hohen Kristinarstindar bot sich eine
grandiose Aussicht auf den Vatnajökull. Ein ständiges unheimliches Knirschen
und Knarren des Gletschers war zu hören und gelegentliche Eisabbrüche
schallten wie Explosionen aus dem engen Tal. Der bedrohlich schmale Grat bewog
mich, weiter unten zu picknicken. Beim Abstieg kam mir bei Skerholl der erste
Wanderer entgegen, eine bleiche, vermummte Engländerin. Scheinbar hatte sie
Mitleid mit dem oben-ohne-Wanderer und rieb mir Nacken und Schultern mit
Sonnencrème ein. Zum Glück, denn sonst hätte ich einen unerwartet heftigen
Sonnenbrand gekriegt.
Der Svartifoss weiter unten ist zwar nicht der
imposanteste, doch mit seinen Basaltsäulen (wie Orgelpfeifen) der schönste
Wasserfall Islands. Mit schweren Beinen erreichte ich nach 6.5 Stunden (5.5
Stunden Wanderung und 1 Stunde Pause) den Campingplatz und machte nach einer
Dusche Siesta. Gegen Abend kamen immer mehr Isländer und füllten den Platz
fast vollständig auf. Die Familie neben mir gab keine Antwort auf mein "Hello",
das wirkte auf mich nicht distanziert, sondern sehr unfreundlich.
20. Juli | Skaftafjell | Höfn | 150 km |
Vom Meer her war dichter Nebel aufgezogen, doch zum Glück bliebs trocken.
Ausser am Myvatn musste ich zum Glück nie im Regen fahren, entweder regnete es
nachts oder an Ruhetagen. Unterwegs waren riesige Gletscherzungen des
Vatnajökull zu sehen, welche während der kleinen Eiszeit vor 250 Jahren bis
ans Meer reichten. In der tiefen, weissblauen Gletscherlagune Jökulsarlon
trieben etliche Eisberge. Ein aus Sicherheitsgründen von einem Schlauchboot
begleitetes Amphibienfahrzeug kurvte dazwischen mit Touristen herum.
Nach einem
stärkenden Kaffee gings weiter nach Höfn. Der Supermarkt neben dem Zeltplatz
war auch am Sonntag geöffnet, sodass ich meinen Kofferraum wieder füllen
konnte. In der Zeltplatzküche traf ich die Radfahrerin Regula aus der
Schweiz. Sie war allein
unterwegs und hatte ihr Rad durch 80 cm tiefe, eisige Fuhrten getragen: Hut ab!
Sie fuhr am nächsten Tag mit dem Bus nach Reykjavik zurück, denn sie wollte
noch einen Abstecher nach Grönland machen.
Am Abend wanderte ich ins Zentrum
und fand eine Pizzeria mit Pub. Doch wie so oft war ich der einzige Gast, jedoch
liess es sich mit dem Kellner gut über Autos und Motorräder fachsimpeln. Er
hatte an diesem Tag ein Dragsterrennen besucht und war begeistert von den 1300
PS-Monstern. Wie die meisten Isländer bevorzugte er grosse und schnelle
Maschinen, den Kauf eines gemütlichen Rollers konnte er nicht verstehen. Ich
hatte mein Zelt etwas abseits am Meer aufgestellt. Die ganze Nacht missbrauchten
Vögel den Burgman und das Zelt als Landeplatz. Am Morgen hatte ich dann die (weisse)
Bescherung...
21. Juli | Höfn | Fraskusfjördur | 220 km |
Da es noch 4 Tage bis zur Abfahrt der Fähre dauerte und ich bereits in Höfn war, beschloss ich einen Abstecher um die Ostfjorde zu machen. Es waren meist gute Strassen mit einzelnen kurzen Abschnitten aus Naturstrasse. Das Wetter war wie im Reiseführer versprochen: Kalt, neblig und windig. In Fraskrudsfjördur, auf einem etwas verlotterten Campingplatz mit nur Kaltwasser, machte ich mich für eine Nacht sesshaft. Der Wind kam vom See her und trug üblen Gestank von der Fischfabrik am anderen Ende des Dorfes mit sich. Wenigstens kam niemand einkassieren, so dass diese Uebernachtung gratis war. Ian kam mit seinem Fahrrad angeradelt und ich war froh, jemanden zum diskutieren zu haben. Wir sprachen über Reisen, Politik und Mythologie. Am Abend unternahm ich noch einen Spaziergang zum "Kaffi Frensk" und dabei fiel mir auf, dass alle Strassen auf isländisch und französisch angeschrieben waren. Das Restaurant wurde von zwei Schwestern aus Reykjavik geführt, welche jeweils im Sommer hier in ihrem Geburtsort wirteten. Sie wollten wissen, ob ich wegen dem Fest vom 24. bis 27.7. komme. Es würden viele Gäste aus der Normandie erwarte, denn von 1850-1950 hatten hier bis zu 5000 französiche Seeleute gearbeitet und dabei Kirche und Spital erbaut.
22. Juli | Fraskusfjördur | Egilstadir | 100 km |
Es hatte zähen Hochnebel und es war kühl bis Reydarfjördur. Aus Lust auf
einen Kaffee hielt ich an einer Tankstelle. Dabei erlebte ich ein absolutes
Novum auf Island: Erstens war die Dame an der Kasse freundlich und zweitens war
der Kaffee gratis! Ich hörte schweizerdeutsch und sah mich um. Es waren zwei
Motorradfahrer mit 400 ccm Motocross-Maschinen, welche mit Jeep und Anhänger
gekommen waren und so ohne Gepäck offroad rasen konnten. So galt denn auch ihr
Interesse mehr an waghalsigen Strecken, als Land und Leute kennenzulernen. Nach
dem Pass nach Egilstadir war das Wetter wie ausgewechselt mit blauem Himmel und
warmen Temperaturen. An diesem Abend trennten sich Ians und meine Wege. Nach
ausgiebigem Fachsimpeln über Fotokameras und Technik verabschiedeten wir uns.
Als ich um 23 Uhr im Schlafsack lag, übten isländische Jugendliche
Kugelstossen mit grossen Steinen direkt neben meinem Zelt, so dass die Erde
bebte. Dann fingen sie auch noch an, die kleinen Holzzäune zwischen den
Parzellen auszureissen. Zum Glück boten die Eltern dem Treiben endlich Einhalt.
23. Juli | Egilstadir | Seydisfjördur | 100 km |
Ich hatte bereits für zwei Nächte in Egilstadir bezahlt, doch als ich der
Aufsicht die Ordnung um mein Zelt herum zeigt, wurde das Geld sofort
zurückerstattet. Ich wollte keine weitere Nacht bei diesen Vandalen verbringen.
Man vertröstete mich, dass irgendwann mal ein Nachtwächter eingesetzt werde.
Meine Meinung: Wenn man die Touristen schon ausnimmt, dann sollte man wenigstens
für Ruhe und Ordnung sorgen!
Um 8 Uhr gings dann bei strahlendem Sonnenschein
ohne Gepäck los. Ich wollte den Lögurinnsee umrunden und dabei den Hengifoss
besuchen. Am Südufer des Sees liegt der einzige Wald Islands, 650 Hektaren
gross. Der Weg zum Wasserfall war anstrengender als angenommen, zuerst ein guter
Wanderweg, dann aber klettern von Stein zu Stein im Bachbett, bis man nach einer
Stunde vor dem imposanten Hengifoss steht.
Die Strasse um den See war herrlich
gewesen, doch die letzten 4 Kilometer vor Egilstadir war Baustelle. Einmal blieb
ich im losen Schotter fast stecken, weil das Hinterrad bis über die Felge
einsank. Ein weiteres Mal stürzte ich beinahe, als es trotz Gegenlenken
geradeaus ging. Diese letzte und schlimmste Etappe schaffte ich nur deshalb ohne
Zwischenfall, weil ich kein Gepäck dabei hatte. Mit Sack und Pack gings dann
die letzten 25 km von Egilstadir nach Seydisfjördur, wo schon über ein Dutzend
Motorradfahrer campierten. Jeder hatte die haarsträubenderen Geschichten erlebt
und die grösseren Probleme gemeistert. Einer hatte metertiefe, reissende
Flüsse durchquert und ein anderer war durch überhängende Geröllhalden
gefahren. Mir fiel das Sprichwort ein: Glaub
keinen Jägern, Anglern oder anderen Schwindlern. Fehlen da die
Motorradfahrer? Ganz zufällig wie jeden Mittwoch und Donnerstag
hatte die Polizei Radargeräte aufgestellt, denn dann kommen und gehen die
Touristen...
24. Juli | Fähre | ab 12.00 |
Es hatte die ganze Nacht geregnet und Island zeigte sich zum Abschied von der
bedrückenden Seite mit wassertriefenden Steilhängen und einer Hochnebeldecke.
Auf der einen Seite war ich froh, die Insel in Richtung Zivilisation, zu
verlassen. Auf der andern Seite erstaunt, wie schnell die 3 Wochen vorbei
gegangen waren.
Im Gegensatz zur Hinfahrt hatte ich bei der Rückfahrt 3 rücksichtsvolle
Zellengenossen (aus Deutschland). Den Schmerz über das Ferienende spülten
Frank aus Deutschland, die beiden Schweizer vom Gullfoss und ich am Abend auf
der Fähre bei akzeptablen Preisen hinunter.
25. Juli | Fähre |
Um 4 Uhr morgens kündigte eine dröhnende Stimme am Lautsprecher an, dass wir bals in Torshavn seien. Da ich sowieso austreten musste, zog ich mich an und warf einen letzten Blick vom Deck auf die Stadt. Jetzt erst fielen mir die bemerkenswert gepflegten und bunten Häuser auf. Im Gegensatz dazu war in Seydisfjördur jede vierte Wellblechhütte am Zerfallen gewesen. Später traf ich Karine und Thomas und wir tauschten unsere Erfahrungen von Skaftafell bis zur Fähre aus. Dann zeigte ich Doris und Bernd meine Fotoserie von zuhause bis Reykjavik. Vieles hatten sie auf ihrer Rundreise auch besucht, doch so viele Wasserfälle wie ich mochten sie nicht anschauen. Dafür hielt sich mein Interesse für Museen in Grenzen. Draussen war ziemlich rauher Wellengang, doch mein Magen schien sich bereits daran gewöhnt zu haben.
26. Juli | Fähre
Hanstholm |
Thisted |
an 16.00
30 km |
Bei schönstem Sonnenschein erreichte die Norröna Hanstholm. Kaum war die Luke auf, strömten alle aus, für Abschied war keine Zeit mehr. Einige Jugendliche zeigten auf meinen Roller und applaudierten, dies war wie eine Anerkennung für die erlebten Strapazen. Nach kurzer Fahrt kam schon der ruhige, schön gelegene Campingplatz von Thisted in Sichtweite. Nach einem viertelstündigem Marsch dem Meer entland erreichte ich das Zentrum und wollte nur eins: Ein gutes Essen mit viel Salat. Danach begannen sich die Pubs und später die Discos zu füllen, typische Saturday-Night-Stimmung war angesagt. Aber erstens war ich am Ende der Islandferien nicht unbedingt in Festlaune und zweitens schwankte der Boden immer noch unter meinen Füssen. So zog ich es vor, meine Luftmatratze aufzusuchen.
27. Juli | Thisted | Neustadt an der Ostsee |
450 km |
Dunkle Wolken nahten, doch Petrus verschonte mich beim Frühstück mit Regen.
Dafür goss es später bis zur deutschen Grenze wie aus Kübeln. Meine
wasserdichten Handschuhe von "Held" mit Goretex-Membran waren
tropfnass bis innen. Das Innenfutter hatte sich so verklebt, dass ich sie nach
einem Halt nicht mehr anziehen konnte. Zum Glück hatte ich die gefütterten
Gärtnerhandschuhe aus Norwegen (Route 2001) dabei.
Auf dem Campingplatz
Pelzerhaken bei Neustadt übernachtete ich. Hier herrschte deutsche
Gründlichkeit, denn man durfte sich keinen Platz aussuchen, sondern bekam eine
Parzelle zugewiesen. Am Abend schlenderte ich ins Zentrum und stärkte mich mit
einem Küstensalat. Danach bemerkte ich beim Besuch eines Strassencafés, wie im
Innern aufgeräumt wurde. Eine Kellnerin meinte, dass sie mit dem Aufstuhlen
draussen warte, bis ich ausgetrunken habe, alles andere sei doch unhöflich. Ob
so viel Rücksicht war ich sprachlos, winkte dankend ab und trank mein Bier am
Strand aus.
28. Juli | Neustadt | Berlin | 350 km |
Da ich schon oft quer durch Deutschland gefahren war, beschloss ich einen
kleinen Abstecher durch die Tschechei zu machen. Gutes Essen und Trinken zu
günstigen Preisen war nach dem Islandaufenthalt verlockend. Zuerst gings über
Landstrassen, doch irgendwie hatte ich das Gefühl, im dichten Verkehr nicht
vorwärtszukommen und wechselte dann bei Schwerin auf die Autobahn. Auf diese
Weise wurde Berlin im Nu erreicht. Auf der Autobahn merkt man den Vorteil des
650er, wenn man bei 140 km/h komfortabel reisen kann. Wie schon Jahre zuvor
steuerte ich den Campingplatz Gatow an, der schön im Grünen an der Havel
liegt. Die Leute in den Zelten waren sehr durchmischt, einige Loveparade-Typen
und auch ein Schwarzer. Dieser hatte rings um sein Zelt furchterregende
Voodoofiguren aus Aesten, Rinde und Gräsern gebastelt.
Genug von der Fahrerei
ging ich zu Fuss los, denn mein Magen knurrte. Von den drei Restaurants in der
Umgebung war eines völlig verraucht und niemand am Essen, die anderen beiden
hatten Ruhetag. So erreichte ich nach einer Stunde völlig ausgehungert wieder
den Zeltplatz. Die Campingkneipe war überlastet, so dass man erst in einer
Stunde etwas zwischen die Zähne bekomme. So fuhr ich in Richtung Zentrum los,
doch da ich keine Ahnung hatte wohin im riesigen Berlin, drehte ich in
Charlottenburg um. Kurz vor dem Verhungern fand ich dann eine gemütliche Pizzeria in
Klatow.
29. Juli | Berlin | Pilsen | 350 km |
Durch die nicht endenwollende Stadt suchte ich die Autobahn nach Dresden. Unterwegs brauchte mein Burgman eine Tankfüllung. So eine Tankstelle hatte ich bisher auf meiner Reise noch nie gesehen: Vorne und hinten Schranken und der Kassier hinter Panzerglas. Das war wohl nicht der wilde Westen, sondern der wilde Osten? Nach Dresden gings auf Landstrassen via Freiberg zur tschechischen Grenze. Dort wurde mir erklärt, dass mein Pass vor einer Woche abgelaufen sei, dies aber noch toleriert würde. Kurz nach Most wütete ein Gewitter, sodass ich in den Fontänen der Lastwagen das Schild nach Pilsen übersah und Richtung Prag fuhr. Nach Entdeckung des Irrtums nahm ich den Weg übers Land nach Petrohrad. Es waren Nebenstrassen in üblem Zustand, doch die Gegend war reizvoll. Viele Bauernhäuser und Fabriken waren in einem verwahrlosten Zustand, der mich an Rumänien erinnerte. Aber erstaunlich viele Häuser besassen dennoch neue Fenster mit Doppelverglasung. Den altbekannten Campingplatz in Pilsen wurde auf Anhieb gefunden und später ein gutes Restaurant in der Altstadt aufgesucht. Müde vom Festmahl für 10 Euro und von der langen Fahrt schätzte ich meinen Schlafsack umsomehr.
30. Juli | Pilsen | 30 km |
Eigentlich wollte ich die Katakomben von Pilsen besuchen, doch beim Sichern
des Burgman mit einem Bremsscheibenschloss bemerkte ich mit Schrecken, dass die
Felgen vorne und hinten rot verschmiert waren. Dies war mir schon einmal in
Island aufgefallen, aber ich hatte gedacht, es sei der rote Lavasand. Wie ein
Blitz schoss es mir durch den Kopf: Die Radlager sind defekt! Jetzt wollte ich
nur noch nach Hause oder wenigstens Deutschland erreichen. Aber kurz nach Pilsen
quietschte und knarrte das Hinterrad und die Temperaturanzeige blinkte rot: Das
Ende.
Zuerst rief ich dem TCS an, dieser verband mich dann mit dem tschechischen
Pannendienst. Auf dem Ortschild las ich Zbuch und gab das der unfreundlichen
Frau am Telefon an: Z-B-U-C-H. Zu meinem Aerger meinte sie, diese Ortschaft gebe
es gar nicht und hängte auf. Ein freundlicher Occasionshändler half mir weiter
und telefonierte für mich. Sobald er [sbu:tsch] gesagt hatte, kam nach einer
Stunde ein Auto vom Pannendienst und dann nach weiteren 3 Stunden ein
Kleinlastwagen mit Seilwinde. In der Zwischenzeit versorgte er mich mit
Polstersessel, sein Hund leistete mir Gesellschaft und ich durfte sein Telefon
benutzen. Er freute sich über mein Geschenk: Ein Schweizer Taschenmesser.
Zuerst führte der Abschleppdienst mich und den Burgman zu der
offiziellen Suzukivertretung "Kunz" in Pilsen. Leider wird der AN650
in der Tschechei nicht verkauft und die Erstzteile hätten aus Deutschland
geliefert werden müssen. So in einer Woche sei dann an eine Weiterfahrt zu
denken. Dann wurde ich in halsbrecherischer Fahrt zu einer Pension
"Kunz" gefahren, wo ich müde und verschwitzt meine Dachkammer, ohne
Fenster, dafür mit einer Dachluke, bezog. Den ganzen Abend überlegte ich mir
das weitere Vorgehen .
31. Juli | Pilsen | Zürich | 11h Zug |
Schweren Herzens hatte ich beschlossen, den Burgman zurückzulassen.
Berufshalber lag eine weitere Ferienwoche nicht drin und nur so in Pilsen
rumzuhängen, hatte ich auch gar keine Lust. So nahm ich mir ein Taxi, um von
der Pension zur Garage zu fahren und Wertsachen, Kamera, Fotos und
Nahrungsmittel abzuholen. Ein Mitarbeiter von Kunz brachte mich an den Bahnhof,
wofür ich ihm 100 Kronen einsteckte. Bald fuhr der klapprige Zug los, doch die
Fahrt zur Grenze schien endlos, denn in jedem Kaff war ein Halt angesagt. An der
Grenze kamen zuerst zwei bayrische Zöllner, grüssten zackig und inspizierten
mein Gepäck. Dann erschien der tschechische Kollege und meinte, da mein Pass
abgelaufen sei, könne er mich nicht über die Grenze lassen. Ich erzählte ihm
vom Kommentar bei der Einreise, doch dies schien ihn nicht zu interessieren.
Für 2000 Kronen werde er beide Augen zudrücken. Als ich erwiderte, ich wolle
aber eine Quittung, meinte er, weil er den Block nicht dabeihabe, solle ich ihm
1000 Kronen geben. Schliesslich hatte ich ihn auf 20 Euros runtergehandelt und
er zog endlich von dannen.
Von Fürth im Walde gings dann zügiger voran und nach insgesamt 11 Stunden
Zugfahrt war ich daheim. Wegen Lastwagenstreiks kam dann der Burgman erst
anfangs September in die Schweiz, dafür aber wohlbehalten mit allem Gepäck. Es
war bitter, den ganzen, heissen Jahrhundertaugust auf den Burgman verzichten zu
müssen. Die Radlager wurden zwar von Suzuki auf Garantie ersetzt, die teure
Arbeit zu meiner Enttäuschung jedoch nicht bezahlt.
Fazit: Wer faszinierende Landschaften und unberührte Natur erleben will und dafür eisige Temperaturen, stürmische Winde, miserable Strassen, unfreundliche Einheimische, angriffswütige Vögel und überrissene Preise in Kauf nimmt, dem kann ich Island wärmstens empfehlen...